Frauen verstehen mehr von Liebe
zusammengeschmiedet waren –«
»Zusammengeschmiedet?« unterbrach ihn Vera.
»Das kann ich dir später auch erzählen«, fiel Sonja ein.
»Nachdem ich das also eingesehen hatte«, fuhr der Mann fort, »fiel mir nur dieser Name ein. Er kam sozusagen aus mir selbst heraus. Vielleicht genügt Ihnen diese Erklärung schon.«
»Nein, ich verstehe nicht … oder«, unterbrach sich Vera, »heißen Sie etwa auch Moritz?«
Er schüttelte verneinend den Kopf.
»Sondern?« fragte Vera.
»Max.«
Erneutes gemeinsames Gelächter.
Max? … Und wie noch? fragte sich Vera, und Sonja auch. Es blieb jedoch bei ›Max‹ allein. Der Mann hielt eine Ergänzung, die den Mädchen fällig zu sein schien, offenbar für überflüssig; er unterließ sie.
Moritz wurde ungeduldig. Er winselte an der Tür. Sein Besitzer Max, wie er sich nur halb vorgestellt hatte, blickte fragend Sonja an. Das konnte nur heißen: Wollen wir gehen?
»Ich bleibe noch bei meiner Freundin«, sagte Sonja.
Ich wäre nicht so dumm, dachte Vera, als sie das hörte.
Max zuckte die Achseln, zum Zeichen seines Bedauerns.
»Also«, sagte er, »dann darf ich mich verabschieden. Ich wünsche Ihnen gute Geschäfte …« Sagte er dies zu Vera? Oder zu Sonja? Das war nicht zu unterscheiden. »Auf Wiedersehen«, fuhr er fort. »Ich habe mich gefreut, Ihnen zu begegnen.« Und auch dabei blieb unklar: Galt das Sonja? Oder Vera? Oder beiden?
Draußen nahm der Hund, der sich aufführte, als habe er nach zehnjähriger Gefangenschaft in einem finsteren Loch die Freiheit wiedergewonnen, jede Aufmerksamkeit seines Besitzers in Anspruch.
Drinnen sagte Vera zu Sonja: »Du bist ein Schaf.«
»Wieso?«
»Hast du nicht gemerkt, was der wollte?«
»Doch, mit einer von uns ins Bett gehen.«
»Mit dir.«
»Genauso mit dir.«
»Ich hätte nichts dagegen gehabt, aber mir scheint, daß eher du sein Typ gewesen wärst.«
»Das war einer von denen, die überhaupt nichts anderes im Kopf haben, glaub mir. Das Ansinnen, das er mir draußen gestellt hat, hätte er genauso dir gestellt.«
Veras Augen leuchteten auf.
»Welches denn? Erzähle.«
»Erst wenn wir die verflixten Etiketten im Schaufenster haben …«
Moritz und sein Besitzer Max näherten sich – in dieser Reihenfolge – einem kleinen Café, das morgens schon sehr früh öffnete. Moritz lief zielstrebig voraus, er kannte den Weg schon. Beide – Moritz und Max – waren in dem netten kleinen Lokal um diese Zeit jeden Tag Stammgäste. Max war Junggeselle und deshalb darauf angewiesen, außer Haus für die Wohlfahrt seines Leibes zu sorgen. Moritz, gezwungen, im Fahrwasser seines Herrn zu schwimmen, verstand es, sich mit den Kellnern und jedem aus der Küche gut zu stellen. Dadurch gab es für ihn in seiner neuen Heimat das größte Problem nicht, das ihn in seiner alten ständig belastet hatte.
In dem kleinen Café standen sieben kleine Tischchen, und es hieß ›Serail‹. Das war eine gewaltige Hochstapelei, nachdem jeder weiß, daß ›Serail‹ nichts anderes als ›Palast‹ heißt (oder gar: ›Palast des Sultans‹). Hervorragend waren aber der Kaffee und die Brötchen, die den Gästen geboten wurden, und darin sah Max das Entscheidende, dies um so mehr, als sich die Besitzerin auch noch für ihre Preise nicht schämen mußte. Ein alter Mann, der schon Rente bezog, aber ein Zubrot noch vertragen konnte, fungierte als Kellner. Sein Gesundheitszustand erlaubte ihm das. Ein Handikap war, daß er sich ›Greis‹ schrieb. Das Verhältnis, das er mit seinen Stammgästen hatte, schloß es aus, ihn ›Herr Ober‹ zurufen. Da er aber nicht mehr der Schnellste war, verbot sich auch der ›Herr Greis‹, das in gewissen Momenten und Situationen einen unverträglichen Beigeschmack hätte gewinnen können. Es gab also keine andere Möglichkeit – auch für die jüngeren Stammgäste nicht –, als auf den Vornamen des alten Herrn zurückzugreifen, der Augustin lautete. Manchen ging freilich der nicht leicht über die Lippen.
»Guten Morgen, die Herren«, sagte, wie immer, der alte Kellner, als Max und Moritz erschienen. »Das übliche?«
»Guten Morgen, Herr Augustin«, nickte Max. »Das übliche.«
Die gewohnten Plätze wurden eingenommen, von Max an einem Tisch zwischen den zwei Fenstern des Raumes, von Moritz unter diesem Tisch.
Normalerweise pflegte sich inzwischen der Kellner schon zu entfernen, um aus der kleinen Küche das Erwünschte herbeizuschaffen. Heute aber war das nicht der Fall. Der Kellner blieb
Weitere Kostenlose Bücher