Frauenbataillon
hinterließ er Opfer – in drei Tagen und Nächten erschoß er neun Gegner.
Die Bajda tobte, schrie und weinte und jagte ihre Mädchen durch das Gelände. Eine regelrechte Treibjagd wurde ausgerufen; Meter um Meter durchkämmte man das zerstörte Dorf. Ugarow forderte Luftunterstützung an, und so kreiste am dritten Tag eine ›Kaffeemühle‹ langsam und niedrig über dem sowjetischen Donezufer und beobachtete das Kusselgelände.
In diesen kritischen Stunden hockte Hesslich in einem engen Granattrichter, über den er einen Busch gezogen hatte. Ein paarmal liefen Suchtrupps in unmittelbarer Nähe seines Erdverstecks vorüber. Er hörte die Stimmen der Mädchen, das Klappern ihrer Stiefel und hielt den Atem an.
In der Dämmerung tauchte er dann wieder auf und schoß, und nur ein einziges Mal wurde er gesehen. Dascha Borisowna rettete sich mit einem verzweifelten Sprung in ein Gewirr von verkohlten Balken, als an ihrer Seite Marina Pawlowna mit einem Loch in der Stirn zusammenbrach.
»Er ist es …«, stotterte sie später und zitterte dabei heftig. »Der Mann mit der Strickmütze! Ganz deutlich habe ich ihn gesehen! Es ist der Teufel … der Teufel … der Teufel …«
Dascha schrie und schrie, schlug mit den Armen um sich und war dem Wahnsinn nahe. Galina Ruslanowna mußte ihr ein starkes Schlafmittel geben.
Leutnant Ugarow rannte aufgeregt hin und her und stieß sinnlose wilde Flüche aus. Die Bajda saß bei den neun Toten, starrte sie aus leeren Augen an und begriff nicht, wieso es nicht gelang, einen einzelnen Mann zu entdecken. Einen Mann, der mitten unter ihnen in ihrem Gelände herumschlich.
»Wo ist Stella Antonowna?« fragte sie einmal. »Warum läßt sie sich nicht mehr blicken?«
»Sie ist draußen. Seit drei Nächten und zwei Tagen …« Lida Iljanowna trank kalten Zitronentee und lehnte sich gegen die Wand. Die Müdigkeit lastete zentnerschwer auf ihr. Auch sie war seit 39 Stunden ununterbrochen im Einsatz. »Man kann sie gar nicht mehr ansprechen. Sie ist wie eine Tigerin …«
In der nächsten Nacht kehrte Peter Hesslich auf die deutsche Flußseite zurück. Wie die Mädchen tarnte er sein Gepäck mit einem Busch, den er auf ein kleines Gummifloß gelegt hatte. Er schwamm durch den Donez und kletterte nackt an Land.
Schräg gegenüber stand Stella Antonowna. Er war für sie auf diese Entfernung und bei den ungünstigen Lichtverhältnissen mit der Waffe unerreichbar, aber im Fernglas konnte sie ihn deutlich erkennen. Um Minuten nur war sie zu spät gekommen. Ursprünglich hatte sie gar nicht an den Fluß gewollt, weil sie sich sagte, dieser Teufel schleicht noch herum und sucht ein neues Opfer – aber dann sah sie plötzlich, wie er aus dem Wasser stieg, sein Gewehr von dem getarnten Floß nahm und seine Uniform auseinanderfaltete. Und sie sah, wie er seine durchnäßte Strickmütze vom Kopf zog, sie schüttelte und auswrang.
Da setzte sie sich ans Ufer, schlug die Hände vor das Gesicht und begann laut zu weinen. Später warf sie sich ins Gras, trommelte mit den Armen und Beinen auf die Erde und schluchzte ihr Elend hinauf in den flimmernden Sternenhimmel.
*
Fünf Tage konnte Fritz Plötzerenke seine Eroberung Schanna verbergen, dann merkte er, daß die Lage kritisch wurde.
Trotz ständig neuer Verbände, trotz Sulfonamidpuder und anderer Salben verschlimmerte sich der Zustand der Schußwunde an Schannas Schulter immer mehr. Die Wundränder quollen auf, als seien sie mit Hefe gefüllt und wurden glasig rot. Eiter trat aus, und am vierten Tag ihrer Gefangenschaft bekam Schanna das befürchtete starke Fieber, und die Infektion war nicht mehr aufzuhalten.
Vorsichtig erkundigte sich Plötzerenke beim Sanitätsunteroffizier, was sich aus einer infizierten Schußwunde alles entwickeln könnte. Der Katalog war umfangreich: »Alles von einfacher Eiterung über Sepsis bis zum Wundbrand«, sagte der Sanitäter, den Plötzerenkes medizinisches Interesse verblüffte. »Warum? Biste an 'nem rostigen Nagel hängengeblieben?«
»Ich les' da gerade ein Buch, wo von 'ner entzündeten Wunde die Rede ist.«
»Ja, wo sind wir denn?! Ist das Paradies ausgebrochen?! Plötzerenke liest ein Buch?! Wirklich? Ein richtiges Buch? Aus vielen gebundenen Seiten? Fritz, vertuste dich auch nicht?«
»Arschloch!« sagte Plötzerenke dumpf. »Nur weilste mittlere Reife hast, biste noch kein Einstein! – Wundbrand – dann ist Sense, was?«
»Fast immer! Die Aussichten sind miserabel. Ich habe im Lazarett ein paar
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