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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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winkte. Auch Lida und Wanda verließen das schützende Gras und gingen aufrecht, die Gewehre schußbereit an der Seite, auf das Haus und die angelehnte Tür zu. Sie gingen dicht nebeneinander, fast Hüfte an Hüfte, und noch immer tropfte ihnen das Donezwasser aus den Haaren und rann über ihre angespannten Gesichter.
    »Ich weiß, was er singt«, flüsterte Lida. Sie war eine Studierte, hatte vier Semester Zahnmedizin hinter sich und wäre eine gute Zahnärztin in Gorkij geworden, hätte man beim Studenten-Sportkader nicht ihre unwahrscheinliche Treffsicherheit entdeckt. Der Große Vaterländische Krieg rief sie sofort, Zahnärzte waren im Augenblick nicht so wichtig, Scharfschützen brauchte man dagegen an allen Fronten. So kam sie, wie alle Mädchen, in die Spezialschule nach Veschnjaki bei Moskau und unter die Fuchtel von Oberst Nikiforowa und Olga Petrowna Rabutina. Nach vier Monaten Ausbildung gehörte sie zu den besten Schützen. Jetzt hatte sie 37 Treffer in ihrem Schußbuch. Alle waren stolz auf sie.
    Marianka legte den Finger auf die Lippen. Lida lächelte zufrieden.
    »Es heißt: Die Lorelei …«, flüsterte sie weiter. »Der erste Satz heißt: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten …«
    »Er wird es gleich wissen!« sagte Marianka und lächelte zurück. Sie waren noch drei Schritte von der angelehnten Tür entfernt.
    In der Scheune kniete Unterarzt Ursbach neben Schanna und hatte vor ihr auf einem Handtuch sein chirurgisches Besteck ausgebreitet. Die schrecklich aussehende Schulterwunde hatte er bereits gereinigt. Jetzt bereitete er die Operation vor. Die Narkosespritze war schon aufgezogen. Schanna saß, gegen ein leeres Holzfaß gelehnt, auf dem Scheunenboden, hatte ein Stück Holz zwischen den Zähnen und biß darauf, wenn die Schmerzwellen sie zu überwältigen drohten.
    Vor ihnen, mit dem Rücken zur Tür, hockte Plötzerenke auf einem Holzklotz, spielte auf der Mandoline und sang dazu seine Lorelei.
    »Das wird sie ablenken«, hatte er gesagt. »Herr Unterarzt, ich kenne das, Musik wirkt wie eine Tablette! Ich hab da mal was gelesen: Musik im Viehstall. Die Kühe geben mehr Milch, die Schweine werden fetter, die Hühner legen jeden Tag ein Ei. Ich sage Ihnen: Wenn ich singe, wird Schanna ruhiger und hat keine Angst mehr … Darf ich?«
    »Von mir aus!« hatte Ursbach gebrummt. »Aber wenn mir übel wird, trete ich Ihnen in den Hintern!«
    Nun sang Plötzerenke die Lorelei, und es klang nicht einmal schlecht. Schanna biß auf ihr Holzstück und starrte zur Tür. Ihr Instinkt, beim Schafehüten am Baikalsee geschult, jenes Kribbeln, das die Gefahr anzeigte und sie einen Adler, der auf ein Lamm stoßen wollte oder einen Wolf, der in den Felsen lauerte, schon lange vorher ahnen ließ, sagte ihr, daß der Augenblick gekommen war.
    »… und ruhig fließt der Rhein …«, sang Plötzerenke und sah Schanna dabei liebevoll an.
    Marianka, Lida und Wanda standen an der Tür.
    Nur noch ein Griff …
    »… im Abendsonnenschein …«, grölte Plötzerenke und zupfte kraftvoll die Saiten.
    Schannas Augen weiteten sich unnatürlich. Ursbach, der sich gerade vorbeugte und die Narkosespritze aufnahm, bemerkte es nicht.
    Und Plötzerenke setzte zur zweiten Strophe an.
    »Die schönste Jungfrau sitzet dort oben wunderbar …«
    Als Marianka die Tür aufstieß, reagierte Schanna ganz anders, als sie geplant hatte. Mit beiden Händen stieß sie den vor ihr knienden Ursbach gegen die Brust, worauf dieser nach hinten kippte und, auf dem Rücken liegend, mit den Armen ruderte, die Spritze mit dem Narkosemittel noch immer in der Hand. Gleichzeitig schrie Schanna auf, und ihre Stimme war schrill vor Angst.
    »Fritz!«
    Plötzerenke reagierte sofort. Genau in dem Sekundenbruchteil, in dem Marianka und Lida schossen, ließ er sich zur Seite fallen, Wanda, die erst jetzt in die Scheune stürzte – durch die Tür konnten sich jeweils nur zwei Personen auf einmal drängen – feuerte zwei Sekunden später.
    Der Schuß, der Ursbach gegolten hatte, ging neben Schannas rechtem Oberschenkel ins Stroh. Plötzerenke wurde dagegen zweimal getroffen. Er bäumte sich auf, sein Leib bog sich durch, bildete einen Augenblick lang eine zitternde Brücke, fiel dann in sich zusammen und begann wild zu zucken. In der plötzlichen Stille hörte man die Mandolinensaiten ausklingen, die Lidas Schuß gestreift hatte, bevor er in Plötzerenke eindrang.
    Marianka, Lida und Wanda waren nach der ersten Salve hinter einem zertrümmerten Heuwagen in

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