Freche Mädchen... 09: Liebe, Chaos, Klassenfahrt
war gerade dabei vorzuschlagen, doch wenigstens zu warten, bis der Regen aufgehört hatte, da sah ich Natascha auf uns zusteuern. Sie winkte und wollte etwas sagen. Ich drehte mich um. »Komm, Anke, lass uns gehen.«
»Vielleicht sollte ich mir ein paar wetterfeste Wanderschuhe kaufen«, überlegte sie, als wir die zwei Kilometer zum Dorf zurückgelegt hatten.
Die ganze Zeit über hatte sie nichts geredet, ein Zustand, der bei Anke völlig unnormal ist. Stattdessen schien sie nachgedacht zu haben und jetzt zu einem Ergebnis gekommen zu sein. Sie hakte mich unter und lachte. »Es regnet zwar und bei mir in den Sandalen steht das Wasser, aber ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt. Und ich finde es riesig von dir, dass du mitkommst. Aber wo gehen wir überhaupt hin?«
»Na, ich dachte, wir gehen zur Schule und checken die Lage.«
Anke lachte. »Klar, hab ich völlig vergessen. Demnächst könnte große Pause sein.«
Wir fragten eine Frau, die gerade Fenster putzte, nach der Schule und marschierten weiter durch den Nieselregen. Schon von Weitem sahen wir, dass gerade Pause war.
»Wir stellen uns einfach an den Rand des Pausenhofes und gucken zu«, schlug ich vor. »Wenn du ihn siehst, gibst du mir ein Zeichen.«
»Und dann?« Anke blickte mich fragend an. »Was machen wir dann?«
Ich hatte zwar keinen blassen Schimmer, aber das musste ich ja nicht unbedingt zugeben. »Mir fällt bestimmt was ein«, behauptete ich.
Der Pausenhof war voll von Schülern, aber ich merkte recht schnell, dass wir hier am falschen Platz waren. »Grundschule, Anke. Ich nehme kaum an, dass es sich gestern um einen Achtjährigen gehandelt hat, oder?«
»Aber warum ist hier nur eine Grundschule? Ich meine, die Kinder werden doch auch älter und …«
»Dann fahren sie in die Kreisstadt«, sagte ein Mann neben uns. »So ist das nun eben mal.«
Anke wirkte reichlich frustriert. Zur Aufmunterung kaufte ich in der Bäckerei drei Stück Bienenstich und bot Anke auf dem Heimweg eines an. Aber sie hatte keinen Hunger. Sie war nur schlecht gelaunt.
»Weißt du, meine Mutter sagt immer, trau dich was. Sag direkt, was du denkst. Wenn man seinem Traumboy gegenübersteht, darf man nicht schüchtern sein. Sie meint, ich soll mich emanzipiert verhalten.«
»Bloß musst du dazu natürlich erst mal deinen Traumboy wiederfinden.« Das war mir so rausgerutscht und es tat mir auch gleich leid, das überhaupt gesagt zu haben.
Anke riss wütend eine Handvoll Blätter aus der Hecke neben dem Weg und warf sie in die Luft. Sie heulte fast.
»Vielleicht hättest du die Verkäuferin in der Bäckerei nach ihm fragen sollen. Warum hast du das nicht gemacht?«
»Weil alles schiefgeht. Weil alles bescheuert ist. Gestern war ’ne andere Frau dort und hat verkauft. Aber ich geh heute Nachmittag wieder hin, und wenn ich eine Stunde im Laden rumstehe. Vielleicht taucht er noch mal auf. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich fühle.«
Sie schien ziemlich geladen zu sein. Ich wollte etwas Nettes sagen, aber ich wusste: Es war zwecklos. Anke wollte sich jetzt einfach aufregen. Genauso schnell würde sie wieder normal werden. Eigentlich hatte ja ich mehr Grund, ärgerlich zu sein. Immerhin war ich wegen ihr durch den Regen gelaufen. Ich wollte ihr das gerade sagen, da drehte sie sich vor dem Eingang der Jugendherberge nach mir um. »Wenn wir schon beim Thema Ärger sind: Ich geh jetzt an die Rezeption und beschwer mich, dass wir so ein kleines Zimmer haben. Ich finde, das ist eine Unverschämtheit.«
»Mensch, Anke«, sagte ich, »wir sind zu spät gekommen und …«
Sie lachte kurz. »Nein, ich seh es einfach nicht ein, dass wir so ein mickriges Zimmer haben. Und erst die Tapete! Hast du die mal genauer angeschaut?« Sie war auf hundertachtzig und nicht zu bremsen. »Und du kommst bitte mit«, sagte sie und zerrte mich hinter sich her. Wahrscheinlich verhielt sie sich jetzt so, wie ihre Mutter es immer von ihr erwartete. Mit schnellen Schritten ging sie auf die Rezeption zu.
In der Eingangshalle war ziemlich viel los. Eine Schulklasse – wahrscheinlich die, die gestern einen Ausflug gemacht hatte – war von einer Wanderung zurückgekommen. Ihr Lehrer wischte seine beschlagene Brille sauber und brüllte ab und zu: »Ruhe.« Das hätte er sich sparen können. Keiner hörte auf ihn. Am liebsten hätte ich mich ja still und leise verdrückt, aber ich wollte vor Anke nicht als Feigling dastehen und deshalb stellte ich mich neben sie.
»Und was
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