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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

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Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Wittwer
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unter dem Wasserspiegel der Elbe. Dann ging es über einige Stufen wieder aufwärts. Der Gang führte also tatsächlich unter den Festungsanlagen der Altstadt hindurch nach Sudenburg hinüber.
    Rechts und links vom Gang lagen einige muffige Räume, von denen Treppenstufen nach oben führten. Manche waren oben am Treppenende mit Bohlen vernagelt, die meisten aber zugemauert. Vielleicht waren es ehemalige Eiskeller von Brauereien und Händlern, die hier vorzeiten im Winter das Eis der Elbe bunkerten. Dann aber würde der Gang schließlich unter der Mauer der Vorstadt zum Elbufer hinunterführen, sodass das Tauwasser dort abfließen konnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich auf dem direkten Weg zur alten Waffenkammer befand, wurde immer größer, und damit wäre ihr Fluchtweg gesichert!
    Der Nervenkitzel, einem Phantom in geheimnisvollen Gängen hinterherzujagen hatte Rosa jetzt voll erfasst. Auch wenn ihr Vorrat an Talgkerzen fast aufgebraucht war, ging sie weiter. Zurück würde sie schneller sein, weil sie nun den Weg kannte.
    Ein schwaches Licht schimmerte rechts vorne. Rosa schloss den Schieber ihrer Blechlaterne vollständig und tastete sich im Dunkeln lautlos vorwärts. Der Schimmer drang aus einer Kammer, das konnte sie nun deutlich sehen. Sicherlich hielt sich dort der Gesuchte auf. Sie musste aufpassen, dass er sie nicht hörte, oder sie ihm unverhofft in die Arme lief. Vielleicht schlief er aber schon auf seinem Strohsack, um sich von seinen Umtrieben auszuruhen.
    Mit angehaltenem Atem blickte sie durch die Öffnung der Kammer. Ein schwacher Lichtschein fiel durch ein kleines Loch kurz unterhalb der Decke. Es musste der Mond sein, der den Raum nur spärlich erhellte. Sie erblickte einen Schemel und einen niedrigen Tisch. Das war sicherlich der Raum, in dem sich der Emmerich versteckt hielt! Doch wo war er?
    Rosa entschied sich, den Rückweg anzutreten. Sie hatte genug gesehen – genug, um den Büttel zu rufen. Auf Zehenspitzen tastete sie sich den Gang zurück. Ein Windhauch zog über ihr Gesicht, und sie hatte das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Mit klopfendem Herzen blieb sie stehen und versuchte sich zu orientieren.
    Sie fühlte den Schlag nur dumpf, der sie am Kopf traf und zu Boden streckte. Dann spürte sie gar nichts mehr.
    »Was ihr getan habt einem meiner geringsten Brüder, das habt ihr mir getan.«
    Die Stimme des schmuddeligen Mannes vor ihm riss Benno aus seinen Gedanken.
    »So hat es der Herr Jesus gesagt«, fuhr der Bettler fort. »Sie haben also nun die Möglichkeit, einen Schatz im Himmel zu sammeln.«
    Benno blickte auf die ausgestreckte, schmutzige Hand vor ihm, langte dann wortlos in seine Wamstasche, zog einige süddeutsche Kreuzer heraus und gab sie dem Mann.
    »Haben Sie herzlichen Dank«, sagte der höflich, verbeugte sich und wandte sich zu gehen. »Der Herr wird es Ihnen in der Ewigkeit vergelten.«
    »Den Herrn wird es noch mehr freuen, wenn sein geringster Bruder es nicht gleich für einen Krug Dünnbier ausgibt«, rief Benno ihm hinterher, »sondern sich eine vernünftige Mahlzeit holt.«
    Der Mann wandte sich noch einmal um, verbeugte sich mit einem verschmitzten Lächeln und eilte davon.
    Benno warf einen Blick auf die Turmuhr des Doms. Wo Rosa nur blieb? Frieses Conrad und sein Freund Michi hatten ihm erzählt, dass Rosa ihn hier um drei Uhr nachmittags treffen wollte, und inzwischen war es viertel vor vier. Vielleicht war ihr etwas dazwischengekommen, versuchte er sich zu beruhigen. Aber es gelang ihm nicht wirklich. Das Leben war unsicher geworden, seit die Stadt täglich unter Beschuss lag. Natürlich, Rosa war klug genug, sich der Gefahr nicht mutwillig auszusetzen. Aber möglich war in diesen Tagen alles.
    Auf dem Weg zum Domplatz hatte er ihren Vater getroffen. Er wüsste auch nicht, wo seine Tochter sei, hatte dieser gesagt. Sie müsse wohl erst spät nach Hause gekommen sein, als er schon geschlafen habe, und sei schon vor Sonnenaufgang aufgestanden und wieder weggegangen. Jedenfalls habe er Rosa seit gestern Mittag nicht mehr gesehen. Überhaupt komme sie nicht mehr so recht ihren Pflichten als Tochter nach, seit sie mit Benno auf Verbrecherjagd sei. Er könne das ja verstehen. Ein junger Verehrer sei schließlich für sie weitaus interessanter als ein alter Vater.
    Unwillkürlich musste Benno an Anneliese denken, während er weiterging. Sie wäre schon eine standesgemäße und wirklich gute Partie. Er schüttelte seinen Kopf. Auch wenn die Tochter des

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