FreeBook Sklavin in Gefahr
Reaktionen erahnen. Das würde das Spiel langweilig machen.»
«Oh, ich glaube nicht, dass ich Sie jemals derart durchschauen werde», wisperte sie. «Im einen Moment sind Sie zärtlich, im anderen brausen Sie auf. Sie schlagen mich hart und wiegen mich dann sanft. Es erscheint so, als wollten Sie mich nach diesem Wochenende wegwerfen und dennoch sind Sie so großzügig und erklären mir BDSM.»
Jetzt spürte sie es einmal mehr, wie sehr sie sich noch in der Selbstfindungsphase befand. Wollte sie das Mysterium ‹Herr› wirklich entweihen und ihre Lust beschneiden? Oder war es nicht vielmehr so, dass sie sich erst vollkommen fallen lassen konnte, wenn sie den Mann durch und durch kannte, in dessen Hand sie sich begab? Sie war hin- und hergerissen.
Aber noch eins merkte Vicky. Sie hatte ihr Ziel, Tylor über seine Identität auszufragen, aus den Augen verloren. Dank ihm. Er hatte sie geschickt abgelenkt, indem er sie verunsicherte. Immerhin wusste sie nun, dass er tatsächlich im New Yorker Presbyterian Hospital gearbeitet hatte.
Als Tylor ihr den letzten Schluck aus der Schnabeltasse einflößte, dachte sie an das Halstuch mit den chinesischen Schriftzeichen für Glück. Sie nahm sich vor, gleich Montagmorgen Nachforschungen anzustellen. Vertrauen hin oder her. Je rätselhafter Tylor sich gab, desto argwöhnischer wurde Vicky – und das alles nur wegen diesem blöden Tuch. Hätte sie es doch nie gefunden! Nun stand es zwischen ihr und Tylor. Sie hoffte, dass sich am besten gleich Montag herausstellte, welch eine Närrin sie war. Immerhin war ein Master prädestiniert dafür, verdächtig zu sein. Er ließ sich nicht in die Karten schauen. Aber wie konnte eine Sklavin dann wissen, ob sie es nicht mit einem Psychopathen zu tun hatte? Genau das, was reizvoll war, erschien mit einem Mal riskant. Aber Gefahr wirkte attraktiv, wenn sie so daher kam wie Tylor.
Victoria bekam Kopfschmerzen vom vielen Grübeln. Sie wollte nur so viel über Tylors Vergangenheit herausfinden, dass es sie beruhigte. Nicht mehr und nicht weniger. Hoffentlich machte ihr die Neugier keinen Strich durch die Rechnung.
«Komm», sagte er und zog sie hoch, «wärm dich am Feuer!»
Vicky folgte ihm bereitwillig. Sie fühlte sich müde und erschöpft, trotz des Snacks. Ihr war, als würde sie den Schnee aus ganz Colorado auf den Schultern tragen. Es schneite seit Tagen unentwegt. Kniehoch türmte sich der pulvrige Niederschlag auf den Gehsteigen. Die Räummaschinen schoben morgens den Schnee beiseite und mittags lag schon wieder eine dicke Schicht auf den Straßen. Wie Zuckerguss hingen die Eiszapfen von den Häusern. Der Frost lag diesig in der Luft und schmerzte beim Einatmen in den Lungen, wenn die Temperaturen nachts weiter fielen.
Tylor breitete das Plaid vor dem Kamin aus und Victoria setzte sich gähnend. Sie beobachtete die Schneeflocken vor dem Fenster. Der Wind wehte kaum noch. Eine gespenstische Ruhe kehrte ein. Vicky lauschte dem Knistern des Feuers und lehnte sich an Tylor, der hinter ihr Platz genommen hatte. Alles war so friedlich auf einmal. Unheimlich. Selbst Tylor schwieg. Er streichelte ihren Hals und schaute aus dem Fenster.
Victoria folgte seinem Blick. Die Schneeflocken tanzten langsamer. Fast wie in Zeitlupe schwebten sie umher. Konnte das wirklich sein? Vicky rieb sich die Augen. Sie war so schrecklich müde. In der Nacht von Freitag auf Samstag hatte sie zwar vor Aufregung kaum geschlafen, sich aber trotzdem fit gefühlt am Morgen.
Nur nicht einschlummern, ermahnte sie sich in Gedanken.
Sie wollte Tylor nicht enttäuschen oder ihm gar das Gefühl geben, langweilig zu sein. Warum war sie nur so schläfrig? Die letzten Stunden hatten doch so viel Adrenalin in ihrem Körper freigesetzt, dass sie hätte aufgedreht sein müssen.
«Leg dich hin und schließe die Augen», schlug Tylor vor, schob sie ein Stück weit von sich fort und drückte ihren Rücken auf die Decke.
Sie protestierte, weil sie nichts verpassen wollte. Zwei Tage waren schnell vorbei. «Ich möchte nicht schlafen.»
«Ein wenig Ruhe tut dir gut. Wenn du wach wirst, fühlst du dich wieder frisch.»
Er lächelte seltsam. Vicky konnte nicht sagen, was an seinem Lächeln komisch war, aber es wirkte vieldeutig, fast arglistig. Tylor brütete etwas aus! Hatte er doch gesehen, dass sie das Halstuch entdeckt hatte? Hatte ihr letztes Stündlein geschlagen? Panisch hob sie die Arme, um ihn abzuwehren, doch er ergriff ihre Handgelenke und kreuzte sie über ihrem
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