Freibeuter der Leidenschaft
so benehmen – sie sind uns armen Wesen gegenüber barmherzig. Dadurch fühlen sie sich noch edler und vornehmer. Wenn er dir gegenüber Barmherzigkeit walten lässt, Kind, dann nimm es an“, sagte Rodney. „Und kümmere dich nicht um deinen verdammten Stolz!“ Er zögerte, dann sagte er seltsamerweise: „Ist ihm aufgefallen, wie schön du bist?“
Amanda war verblüfft. In den gesamten siebzehn Jahren ihres Lebens hatte ihr Vater nie erwähnt, dass er sie für eine Schönheit hielt. Aber jetzt sprach er von ihr, als wäre sie wirklich schön, so wie ihre Mutter. „Papa? Ich bin keine Schönheit. Ich bin mager und habe farbloses Haar. Ich trage Männerkleidung. Und ich habe seltsame Augen. Das sagt jeder.“
Rodney war ernst. „Hat er dich angesehen wie dieser verdammte Türke in Sizilien?“
Amanda zögerte. „Es hatte nichts zu bedeuten.“
Rodney stieß hörbar den Atem aus. Nach einer langen, unheilverkündenden Pause sagte er: „Er soll dich zu deiner Mutter bringen. Ich meine es ernst, Amanda. Ich vertraue ihm. Er ist ein Gentleman.“ Ihr Vater verstummte.
Sie wusste, dass er noch etwas sagen wollte. „Er ist ein Gentleman, aber was noch, Papa? Was ist es, was du nicht sagen willst?“
Rodney starrte ins Leere. „Es würde mir nichts ausmachen, wenn er dich für eine Weile aushielte.“
Amanda sah ihn fassungslos an. „Was? Du meinst, als seine Mätresse?“
„Er ist unverschämt reich und der Sohn eines Earls!“, rief Carre und schlug mit der Faust gegen die Mauer. „Ich wollte dich immer gut verheiratet wissen, aber ich weiß nicht, wie das gehen soll, wenn ich tot bin. Das wäre die Aufgabe deiner Mutter, und du hast sie seit Jahren nicht gesehen.“
Amanda begann zu zittern. Sie dachte an de Warennes ausdrucksvolles, sonnengebräuntes Gesicht, seinen durchdringenden Blick, der so seltsam war, als könnte er direkt in ihre Seele schauen. Sie erinnerte sich daran, wie er sie aus Woods Zimmer getragen hatte. Sie war verwirrt. Vielleicht würde es ihr nichts ausmachen, ihm ihre Unschuld zu schenken, oder jedenfalls nicht viel. Er schien freundlich zu sein.
Ich muss mich getäuscht haben, dachte sie erschüttert. Während die Bäckersfrau in der Queen Street ihr altes Brot umsonst gab, und der Junge, der die Apotheke ausfegte, nett zu ihr war, war es sonst niemand. Vielleicht hatte de Warenne sie gerettet, um sie zu verführen, ungeachtet der Tatsache, dass sie keine der vornehmen Ladies war, die er sonst bevorzugte. Hatte er sie nicht dazu überreden wollen, in seinem Haus in Kingston zu bleiben?
„Papa, er würde mich nie als seine Mätresse wollen. Er hat Geliebte, die alle hübscher sind als ich.“
„Sorge einfach dafür, dass er dich zu deiner Mutter bringt“, sagte Rodney finster. „Ich wollte dir etwas hinterlassen, aber es ist nichts da, Amanda, kein einziges Pfund. Es tut mir leid.“
Jetzt fühlte sie sich elender denn je, denn ihr Vater hatte sich nie für irgendetwas entschuldigt, und jetzt sagte er ihr schon zum zweiten Mal, dass er etwas bedauerte. „Entschuldige dich nicht“, widersprach sie entschieden. „Du bist der beste Vater, den ein Mädchen sich nur wünschen kann!“ Sie meinte es ernst, und gegen ihren Willen kamen ihr wieder die Tränen.
„Ich habe es versucht, wirklich!“, stieß er hervor und weinte jetzt ebenfalls. „Mädchen, du musst gehen.“
Amanda bemerkte, dass der Himmel über dem Gerichtsgebäude sich orange verfärbte – der Tag brach an. „Nein!“, rief sie.
Gleich würde sie gehen müssen. Und wenn sie ihren Vater das nächste Mal sah, würde er unter dem Galgen stehen.
„Du gehst jetzt besser, Mädchen, ehe sie dich hier erwischen und den Tunnel finden, den du unter dem Zaun hindurch gegraben hast.“ Carres Stimme klang heiser.
Das durfte nicht sein. Sie war nie ganz sicher gewesen, ob sie an Gott glaubte, aber jetzt betete sie. „Papa, lass mich hierbleiben. Es ist mir egal, ob sie mich finden.“Verzweifelt griff sie durch das Gitter.
Er zögerte, dann umfasste er ihre Hand.
Himmel, seine Hand war so warm, stark, voller Schwielen und Narben. Vor Jahren hatte ein Schotte einen seiner Finger im Kampf verletzt, als die Klinge seine Handfläche traf. Aber Amanda klammerte sich an ihm fest.
Denn wenn sie ihn jetzt losließ, dann würde sie diese Hand nie wieder halten können.
Im letzten Moment war er auf sein bestes Vollblutpferd gesprungen und im Galopp bis nach Spanish Town geritten. Nun ließ Clive den Blick über die
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