Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
fast allem bereit, sein Wohl zählte für sie mehr als Ethik. Das war für sie Grund und Rechtfertigung genug.
"Sarah", sagte Kepler erleichtert, "du bist mein Ideal."
"Ich war es immer gern, ich bin es gern und ich werde es immer gern sein." Sie sah ihm in die Augen , zog mit der freien Hand seinen Kopf zu sich und küsste ihn auf die Stirn. "Ich liebe dich auch, mein Kleiner."
"Ich danke dir ." Er lächelte. "Und wünsche euch ein schönes neues Leben." Er wurde wieder ernst. "Ich habe zwar aufgepasst, aber seht zu, dass ihr schnell US-Bürger werdet und gebt die deutsche Staatsbürgerschaft ab."
Zehn Minuten später hatte er das zweite Prepaidhandy und alle Koffer waren eingeladen. Noch eine Viertelstunde später sah er im Rückspiegel wie Robert verschlafen auf die hinter den Fenstern des Audis vorbeiziehende Novemberlandschaft seiner Heimat blinzelte. Vielleicht tat er das zum letzten Mal in seinem Leben. Kepler wünschte ihm im Stillen ein sehr langes und glückliches.
Am Flughafen blieb Kepler bei seiner Familie, bis sie durch die Sicherheitskontrollen gehen musste. Jens verabschiedete sich mit einem gemurmelten Wort und einem knappen Händedruck. Sarah umarmte Kepler und küsste ihn. Dann wischte sie sich die Tränen von den Wangen und hielt ihm Robert hin. Der Kleine grinste und ließ sich das Händchen schütteln.
Dann waren er, Sarah und Jens aus Keplers Leben verschwunden. Als er sie hinter der Sicherheitsschleuse nicht mehr sah, überkam ihn die Erleichterung. So wie damals in Kaduqli, als Katrin gegangen war.
Und es breitete sich genauso eine unendliche Leere in Keplers Innerem aus.
16. Kepler hatte versucht, die Eliminierung von Horsts Bande wie einen Auftragsmord von einem Rivalen aussehen zu lassen und anscheinend war es ihm gelungen, die Verkleidung, das Feuer und die Ausführung hatten seine Spuren verwischt. Die Medien sprachen von nie dagewesenen Dimensionen des Bandenkrieges. In einigen Kommentaren im Internet wurde unterschwellig angedeutet, dass Horst und seine Kumpanen das bekommen hätten, was sie verdienten, offizielle Stellungnahmen sprachen natürlich von Mord. Insgesamt wurde zum Teil wild spekuliert, was eigentlich passiert war. Wenn man den offiziellen Stellungnahmen Glauben schenken konnte, tappte die Polizei im Dunkeln.
Sarah rief eine Woche später vom neuen Zuhause in Kalifornien an, alles war in Ordnung. Die Polizei erwähnte sie nicht. Jens wünschte Kepler ein schönes Fest, ließ Melissa Grüße ausrichten, danach gab er den Hörer wieder Sarah.
Irgendwann rückten andere Meldungen die Morde in Steinfurt aus dem Fokus der Öffentlichkeit und man vergaß sie. Die Behörden taten es sicher nicht, aber Keplers Sorge, erwischt zu werden, schwand, und er entspannte sich.
Unbehagen bereitete ihm Melissas verändertes Verhalten. Als er am nächsten Wochenende zu ihr kam, hatte sie ihn in der Tür verkrampft angesehen. Dann hatte sie einen Schritt zur Seite gemacht und ihn wortlos hineingelassen. Den ganzen Abend war sie schweigsam und zurückhaltend gewesen. Kepler gab sich ratlos. Erst als sie im Bett waren, wurde Melissa gelassener und wärmer.
Aber als er wegfuhr, war sie wieder seltsam nachdenklich, beinahe argwöhnisch, obwohl sie keine Fragen gestellt hatte.
Eine Richterin als Freundin zu haben, schien in Keplers Fall überhaupt nicht der beste Schutz davor zu sein, eine illegale Waffe zu besitzen, weil Melissa ihm zu offensichtlich misstraute. Vielleicht liebte sie ihn aufrichtig, aber Kepler war sich sicher, dass sie ohne zu zögern die Anordnung für eine Durchsuchung unterschreiben würde. Und diese würde nicht nur seine Wohnung einschließen, sondern auch sein Bankschließfach.
Aus diesem Grund entsorgte Kepler sorgfältig das verbrannte Notizbuch aus seinem Achsenbecher, danach holte er die Glock, den Schalldämpfer, sämtliche Magazine und die übrige Munition aus der Bank. Unweit seines Hauses gab es eine brachliegende Fläche. Kepler erkundigte sich bei der Stadtverwaltung bezüglich der Verwendung dieses Grundstückes. Der Bauplan sah für die nächsten Jahre keine baulichen Aktivitäten dort vor. Kepler legte die Glock samt Zubehör in eine unscheinbare Plastikkiste und versteckte diese in einem Steinhaufen neben einem Busch, der sich in einer entlegenen Ecke des Brachlandes befand.
Einige Tage später bekam Kepler einen Anruf von der Agentur in Münster. Er hatte die Arbeitssuche schon aufgegeben, aber sein Berater hatte ihn nicht vergessen, sondern
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