Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
geschmeichelt. Andererseits hatte er in letzter Zeit ein Leben mit einem Minimum an Verantwortung geführt, und ein solches hatte durchaus seine Reize. Er zuckte die Schultern und schob die Gedanken beiseite.
Er und Marco zogen die Masken an, banden sie fest und gingen durch den Seiteneingang hinaus. Die Menschenmenge wurde still, als man sie sah. Sie gingen schnellen Schrittes zu der Bühne und sprangen behände darauf. Sie verbeugten sich leicht vor dem Publikum, dann drehten sie sich zueinander und verbeugten sich wieder. In diesem Moment setzte die Musik ein.
Der Kampf, den Kepler und Marco vorführten, dauerte etwas über vier Minuten und war eine brachial rasante Abfolge von Schlägen und Tritten. Die Zuschauer sollten nicht unbedingt die einzelnen Bewegungen nachvollziehen können, der Kampf strebte einen berauschenden Gesamteindruck an, zumal die Schläge und die Tritte echt waren, nur dass Kepler und Marco den Abstand zueinander so gewählt hatten, dass sie sich nur leicht berührten. Das Musikstück, das die Vorführung untermalte, mutete asiatisch an und war vom westlichen Bit unterlegt. Je weiter es lief, desto schneller wurde das Tempo. Etwa nach anderthalb Minuten tobte die Menge.
Am Schluss schlugen Kepler und Marco auf einem Fuß stehend die jeweils anderen Füße gegeneinander, einmal in Höhe der Knie, dann der Hüfte, des Kopfes und schließlich weit über dem Kopf. In dieser Position verharrten sie. Im selben Augenblick hörte die Musik auf. Als Kepler und Marco die Füße langsam herunternahmen, brachen die Zuschauer in tosendem Applaus aus.
Yoko hatte völlig Recht gehabt , das Publikum verlangte eine Zugabe. Aber Kepler und Marco verbeugten sich erhaben und gingen von der Bühne. Auf dem Weg zum Seiteneingang wurden ihnen unentwegt Daumen gezeigt und auf die Schulter geklopft. Yoko empfing sie an der Tür und band ihre Masken auf.
"Geht, mischt euch unters Volk", wies sie sie danach an.
"Sollen wir uns nicht umziehen?", fragte Kepler.
Yoko schüttelte entschieden den Kopf.
" Die Menschen sollen wissen, wer ihr seid. Ist besser so, glaub' mir."
Sie hatte sowohl mit ihrem geänderten Zeitplan als auch mit der Behauptung eben völlig Recht gehabt. Aber das zweite gefiel Kepler nicht besonders. Kaum draußen, wurden er und Marco von begeisterten Menschen umringt, die sie nach ihrem Stil ausfragten, wie lange es dauerte, bis man so kämpfen konnte, und eine Unmenge anderer, zumeist naiver oder banaler Sachen. Es dauerte an, bis der nächste Showkampf stattfand.
Die Kinder, unter anderem auch Nico, brachten eine gute Vorstellung zusta nde, ihnen wurde genauso begeistert applaudiert wie Kepler und Marco. Die Kleinen, vor Stolz aufgeblasen, blickten sich majestätisch um, während sie von gleichaltrigen Besuchern mit unverhohlenem Neid beäugt wurden. Kepler grinste darüber, mit welch furchtsamen Gesichtsausdruck Jungen Jennifer ansahen, das Mädchen, das bei ihm trainierte. Sein Grinsen wurde noch breiter, als er sah, wie erhaben das Mädchen die ehrfürchtigen Blicke hinnahm und sie genoss.
Wenig später lieferten Kepler und Marco mit dem Schwertkampf eine ebenso fulminante Vorstellung ab wie als Ninjas. Danach kamen sie gar nicht mehr bis zur Umkleide, sofort nach dem Kampf wurden sie von ihrem Publikum umringt. Sie schafften es gerade noch, die Men, wie die Fechtmaske auf Japanisch hieß, das Tenugui, das feinbedruckte Baumwolltuch, das man unter dem Men trug, und Kote, die langen Handschuhe, die die Hände und Unterarme schützten, abzunehmen. Die Sachen und die Bambusschwerter wurden sogleich von Jennifer und einem Jungen weggetragen. Nachdem die überschwängliche Begeisterung sich gelegt hatte, überließ Kepler Marco das Sprechen. Der kannte sich mit der japanischen Tradition viel besser aus, er erläuterte begeistert und ernst die Kampfkunst des Kendo und beantwortete die unzähligen Fragen. Die meisten Interessierten waren Kinder, aber auch etliche Erwachsene waren dabei.
Kepler stand da und fühlte sich wohl. Das Bogu zu tragen war ähnlich wie eine Uniform anzuhaben oder die Kleidung, die er im Sudan getragen hatte. Er fühlte sich entrückt, und er genoss dieses Befinden als Kämpfer, der er nun mal war.
Dann war es Mittagszeit und Daijiro verkündete, dass der Grill und das Buffet eröffnet seien. Die Besucher stürzten sich auf die Würstchen, Fleisch und Salate.
Kepler und Marco reihten sich in die Schlange zum Grill ein. Sie wiesen die Angebote vorzugehen ab, wodurch
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