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Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

Titel: Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse Auth
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sie sich sicher fühlte.
    »Das hast du davon, du Schwindlerin.«
    Damit holte ich aus und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige.
     
    Hatice, ich hoffe, auch du hast mir verziehen. Ebenso wie ich dir. Auch Vater und Mutter, sogar der Oma habe ich verziehen. Ein hartes Stück Arbeit! Am allermeisten Kraft jedoch
hat es mich tatsächlich gekostet, mir selbst zu verzeihen. Ja, auch das ist wichtig - sogar das Allerwichtigste. Nur wer sich selbst verzeiht, kann aus dem inneren Opferland ausziehen, wo wir uns in Schuld und Angst gefangen glauben. Auch damit sollte die geheimnisvolle Fremde recht behalten - ich habe es erst nach mehreren Anläufen geschafft, mir selbst zu verzeihen. Es war der Beginn vom Ende meiner Karriere als Opfer: Opfer der Umstände, der Vergangenheit, des unabänderlichen Schicksals, der eigenen Fehler und Unvollkommenheiten … die Liste ist lang.
     
     
    Aber damals war ich einfach nur sauer. Ständig saß Hati auf Omas Schoß. Sie, die kleine Prinzessin, ich, das Aschenputtel. Und wie sie es zu genießen schien, verwöhnt, geherzt und geküsst zu werden. Am schlimmsten war es, wenn Babanne mit anderen Frauen über uns sprach, uns miteinander verglich und ich es mitbekam. Was in unserem Häuschen mit den hellhörigen Wänden unvermeidbar war.
    »Hati ist so ein liebes, anschmiegsames Mädchen, sie hat so ein sanftes Wesen, und schaut nur: So ein niedliches kleines Näschen und so schöne braune Rehaugen.«
    Und dann, ohne jegliches Bedauern, wie mir schien:
    »Ist es nicht seltsam, dass die eine so viel hübscher geworden ist als die andere?«
    Immer wurde etwas bemängelt an mir. Ich hatte den schlechteren Charakter, die härteren Gesichtszüge, die schmaleren Lippen. Meine Wimpern waren weniger dicht, selbst meine Haare waren heller und nicht vom gleichen satt glänzenden Dunkelbraun wie bei meiner Schwester. Wer nicht selbst ein Zwilling ist, kann das vielleicht
nicht verstehen, aber ich fühlte mich wie Hatices unvollkommene Kopie.
    An manchen Tagen führte unsere Rivalität zu regelrechten Kleinkriegen. Es brachte mich innerlich zum Kochen, wie Hati ihre Überlegenheit auszukosten schien. Nur weil sie Omas hübscher Liebling sein durfte! Dafür bekam sie beim Abendessen von mir heimlich eine Extraportion Salz in die Suppe …
    Am nächsten Morgen dann zog sie mich wieder auf:
    »Babanne weiß schon, warum sie dich nicht mag. Du bist so stur und bockig!«
    Auch das musste ich ihr heimzahlen. Ja, ich haderte sehr mit meiner Schwester, die doch eigentlich hätte meine Verbündete sein sollen. Tendenziell fühlte ich mich wie ein Nichts, ein einziges verlorenes Nichts.
    Was bleibt einem kindlichen Gemüt da anderes übrig, als sich immer wieder in seine Fantasiewelt zurückzuziehen? Ganze Nachmittage saß ich am Fenster und rettete meine Seele mit Bildern von einer schönen heilen Welt. Heute weiß ich: Ich hielt mir damit einen Kanal zur Quelle meiner innersten Kraft offen. Ja, ich würde sogar sagen: Ich war, wenn auch unbewusst, schon dabei, mein künftiges Leben zu produzieren.
    Wenn ich groß bin, werde ich eine schöne, strahlende Frau sein. Alle werden auf mich schauen und mich bewundern. Sie werden sich darum reißen, mit mir befreundet zu sein.

Blutrache
    Susurluk, Westtürkei, 1972
     
     
     
     
    F ünf Jahre waren wir alt, als geschah, was ich jetzt erzählen werde. Jede Einzelheit habe ich noch so deutlich vor mir, als sei es erst gestern gewesen. Ich berichte es so, wie ich es aus meiner Erinnerung, den Erzählungen verlässlicher Zeugen und vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen mit den traditionellen Gesetzen von Ehre und Familie rekonstruiert habe.
     
     
    Was ist das für ein Tumult im Hof! Wir haben gerade gegessen, und draußen hebt ein Riesengezeter an. Wir stürzen hinaus. Da steht Opas Pferd im Hof, es ist allein nach Hause gekommen. Ohne Opa Ali! Der Hof füllt sich mit erregten, aufgewühlten Menschen. Überall Panik und Verzweiflung. Mittendrin unsere Oma, vollkommen außer sich, klagend und jammernd.
    »Sie haben ihn umgebracht! Sie haben ihn umgebracht!« Eine Stunde später tragen sie ihn in den Hof, in Decken gewickelt. Blut tropft heraus. Oma steht starr und still, mit angstgeweiteten Augen. Nähert sich dem Leichnam mit schleppendem Schritt, als wollte sie nicht wahrhaben, was geschehen ist. Schlägt das Tuch auf und stößt einen gellenden Schrei aus. Heulend und wimmernd umklammert sie
ihren toten Mann. Sie tobt, ist wie von Sinnen, hebt die Hände

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