Freiheit statt Kapitalismus
weniger als 100 Ein- und Aussteigern pro Tag würden dann wohl geschlossen. Eine Börsenbahn fährt nicht mehr nach Kleinkleckersdorf, sowenig wie eine Börsenpost noch Filialen im ländlichen Raum betreibt.
Arme abgezockt
Tatsächlich beruhen die Aufrechterhaltung unrentabler Dienste ebenso wie das Angebot sozial gestaffelter Tarife immer auf Subventionen. Der bessergestellte Kunde zahlt für den schlechtergestellten mit. Oder eine rentablere Dienstleistung unterstützt das Angebot einer unrentablen. Bei Sozialtarifen wie in der Krankenkasse oder im Nahverkehr oder früher auch in vielen Ländern bei Wasser, Energie und Telefon waren solche Umverteilungen an der Tagesordnung. Oftmals wurde der örtliche Nahverkehr in kommunalen Stadtwerken über die Energiepreise subventioniert. Statt der Dividenden der Energiekonzerne zahlte der Stromkunde dann den nicht kostendeckenden Bustarif oder das Sozialticket. Die Beförderung der Briefe wurde in der alten Bundespost durch die einträglicheren Telefondienste mitfinanziert.
Private Anbieter, die überhaupt nur den lukrativen Teil des Leistungspakets anbieten, haben leichtes Spiel, öffentliche Wettbewerber an Rentabilität zu übertreffen. Die Kosten, die sie nicht mehr subventionieren, verschwinden dadurch allerdings nicht. Sie zahlt nur ein anderer. In der Regel entweder die bisher begünstigten Ärmeren oder die öffentliche Hand. Zu diesem Schluss kommt auch Weizsäcker: »Nach der Privatisierung müssen die Armen typischerweise viel mehr als zuvor für das Lebensnotwendige ausgeben.« 156
Teuer für den Steuerzahler
Auch den Steuerzahler kommen Privatisierungen meist teuer zu stehen. Nicht nur, weil renditeträchtig vernachlässigte Infrastrukturen, etwa bei der Bahn, am Ende doch wieder an den Staat zurückfallen und von ihm teuer saniert werden müssen. Sondern auch, weil die privaten Betreiber oft äußerst geschickt im Erpressen von Steuervergünstigungen und Subventionen sind. Einer der perfektesten Hebel zum Ausnehmen der öffentlichen Hand sind dabei sogenannte Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP), die in der Regel nach dem Prinzip funktionieren: Der Staat trägt die Risiken und Verluste, die Privaten sahnen ab.
Viele Privatisierungen und Teilprivatisierungen finden in juristischen Vereinbarungen ihren Niederschlag, in denen dieses Prinzip dauerhaft verankert wird. Weizsäcker konstatiert als einen der Gründe dafür: »Der Staat, nicht nur in Entwicklungsländern, hat oft einfach nicht die Macht und die Erfahrung, um mit starken internationalen Konzernen auf Augenhöhe zu verhandeln.« 157 Korruption und Käuflichkeit spielen natürlich auch ihre Rolle. Das Ergebnis sind extrem unvorteilhafte Verträge, in denen die öffentliche Seite oft bis aufs Hemd ausgezogen wird. Ein Beispiel dafür ist der Vertrag zur Wasserteilprivatisierung in Berlin, in dem den privaten Konzernen Renditegarantien gegeben wurden, die einer Dauersubventionierung auf Kosten der Bürger und des öffentlichen Haushalts gleichkommen.
So machen Privatisierungen ihrem Namen alle Ehre. Denn der leitet sich vom lateinischen Verb
privare
ab, übersetzt heißt das: »rauben«. Und genau darum geht es: Um einen schamlosen Raubzug zulasten der Portemonnaies der Mehrheit der Menschen, die auf die entsprechenden Leistungen angewiesen sind, und zum Schaden der Kommunen, die die Verschleuderung des Tafelsilbers immer ärmer und handlungsunfähiger macht.
Die These, dass es sich bei öffentlichen Anbietern generell um Subventionsempfänger und Milliardengräber handelt, ist im Unterschied dazu schlicht eine Legende. Die Deutsche Bundespost etwa hatte seit 1949 bis zu ihrer Auflösung 1994 kein Geld erhalten, sondern regelmäßig an die Bundeskasse gezahlt. Zuletzt waren das Einnahmen für dieöffentliche Hand von mehr als 5 Milliarden D-Mark jährlich. Auch viele Stadtwerke haben ihren Kommunen stetige Einnahmen verschafft. In Großbritannien steuerten die öffentlichen Betriebe 1984, also unmittelbar vor Thatchers Privatisierungswelle, mehr als 7 Milliarden Pfund für die Staatskasse bei. »Es ging Thatcher nicht darum, ob der Staat Unternehmen führen konnte, sondern darum, dass er es nicht
sollte
.« 158 Das gilt auch für viele Privatisierungsfreunde in Kontinentaleuropa.
Populäre Rekommunalisierer
Die Einsicht, dass die Grundversorgung der Bürger mit den wesentlichen Leistungen am Ende viel kostengünstiger in kommunaler Eigenregie stattfinden kann als bei Beauftragung
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