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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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gezahlt. Und den zweiten hast du ins Internat abgeschoben. Weißt du eigentlich, was da los war? Und weißt du, was mit Tom passiert ist, was aus ihm geworden ist?« Henry sah eine Spinne an der Wand emporkrabbeln.
    Der Alte schwieg.
    »Scheiß drauf. Das interessiert dich heute so wenig wie damals«, fuhr Henry fort. »Aber was, zur Hölle, hast du wieder mit Mutter gemacht?«
    Langsam dreht sich der Alte auf dem Bürostuhl und stand auf. »Was ist denn schon wieder mit ihr?« Er stellte seine Tasche auf den Schreibtisch und packte weitere Unterlagen hinein.
    »Sie hat Tabletten genommen.«
    »Ach ja? Wie viele denn?«
    Die Gleichgültigkeit des Alten trieb Henry das Blut in den Kopf. »Mehr als reichlich. Ich wollte sie in die Klinik einweisen, aber sie wollte nicht.«
    »Dann waren es ja nicht genug. Sie nimmt immer irgendwelche Tabletten, schluckt das Zeug wie Smarties. Hat sie wenigstens den Kram vom Mittagessen weggeräumt? In letzter Zeit ist sie so schlampig …«
    Henry schoss am Schreibtisch vorbei und packte den Vater am Kragen. »Du hast sie verdroschen, du Drecksack.«
    Der Alte starrte ihn an. »Lass mich los«, sagte er kalt.
    Aber Henry war noch nicht fertig. »Und wo ist Sophie? Hast du sie endlich aus dem Haus getrieben?«
    »Ich weiß nicht, wo das Flittchen wieder herumlungert. Lass mich los, Henry.«
    »Ach, meinen Namen hast du noch nicht vergessen. Du hast sie kaputt gemacht, die Kleine und Mutter auch.«
    »Nimm deine verdammten Finger von meiner Jacke.« Die Stimme des Alten war leise und drohend. Ihr Klang traf auf etwas Empfindliches in Henrys Innerem. So hatte er gesprochen, wenn es ganz schlimm gekommen war. Damals. Henrys Hand ließ den Hemdkragen los und verschwand in der Jackentasche.
    »Du bist ein Versager. Immer gewesen. Das ging schon in der Grundschule los.« Freitag nahm seinen Mantel vom Haken und hob die Tasche vom Tisch.
    »Was hast du mit Mutter gemacht?« Henry stellte sich ihm in den Weg.
    »Geh mir aus dem Weg, du Pfeife«, sagte der Alte.
    Aber Henry wich keinen Schritt. »Was?« fragte er.
    »Sie hat bekommen, was sie verdient hat. Sie wird niemals begreifen, was sie zu tun und zu lassen hat.«
    »Du hast sie geprügelt.«
    »Ich kann machen, was ich will. Sie ist meine Frau. Du hast ja nicht mal eine, du kleiner Wichser.« Mit einer Handbewegung wollte er Henry beiseiteschieben, der aber ließ ihn so nicht davonkommen.
    »Du kannst mit deinem Eigentum machen, was du willst, ja? Aber jetzt nicht mehr, verstehst du? Mutter wollte sich umbringen. Das lasse ich nicht zu. Du bist zu weit gegangen.« Er tastete nach dem Messergriff in der Jackentasche. Er lag warm und fest in seiner Hand.
    »Dann hätte sie ein paar mehr von ihren Smarties schlucken müssen. Ist ja nicht das erste Mal.«
    Henry riss das Messer aus der Tasche.
    »Was willst du denn mit dem Ding?« Der Alte starrte ihn einen Moment an und brach in Gelächter aus.
    Henry machte einen Schritt nach vorn und stieß ihm die Klinge in die Brust. Die Augen des Alten weiteten sich ungläubig, und Henry spürte etwas wie Befriedigung aufsteigen. Dann riss er den Arm zurück. An der Stelle, wo das Messer gesteckt hatte, bildete sich ein kleiner roter Fleck. Der Alte wankte nach hinten. Angst trat in seinen Blick, der immer so eisig auf Henry gerichtet gewesen war. Sein Gesicht wurde grau. Plötzlich fühlte sich Henry von einem Gefühl von Macht durchflutet, ein ungekanntes, ganz neues Gefühl.
    »Nie wieder wirst du Mutter etwas tun.« Damit stach er erneut zu. »Nie wieder.« Der Alte hielt sich die Hände auf die Wunden. Dann fiel er auf die Knie. Henry genoss das Entsetzen in seinem Gesicht. Wieder stach er zu und wieder und wieder …
     
    Niemand rührte sich, niemand sagte etwas, bis Julia sich räusperte. »Eine interessante Geschichte«, sagte sie kühl, dabei lief ihr der Schweiß den Nacken herab. Die Bilder der Leiche, die Wunden, das Blut, das Gesicht … Diese gottverdammten Bilder! Julia zitterte innerlich. Sie konnte nur hoffen, dass es ihrer Stimme nicht anzumerken war. »Nur beweist sie gar nichts.«
    Wieder verstrichen einige Sekunden, in denen Henry die Augen schloss und Sven sie anblickte, als erwarte er, dass sie weitersprach. Auch ihn schien der Bericht nicht unberührt gelassen zu haben. Und Julia sprach weiter.
    »Was haben Sie dann gemacht, Herr Freitag?«
    Zögerlich richtete Henry seine Aufmerksamkeit auf Julia. Seine Blässe wirkte bedrohlich. »Ich bin zu meinem Elternhaus gegangen, was

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