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Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen

Titel: Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt David
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die Leute nach mir umdrehten. Sie schienen sich zu wundern, da ich sonst nicht so freundlich bin.
    An unserem Gartentor versuchte ich, todernst zu werden, runzelte die Stirn und stülpte die Lippen nach außen, als wäre der Rummel für mich eine Enttäuschung gewesen. Bis zur Wohnstubentür schaffte ich es. Dann wars aus. Es hatte sich so viel Lachen angestaut, daß es mir einfach den Mund auseinanderriß, als ich vor Mama und Papa stand.
    „Das war wohl schön auf dem Ernte-Platz, Heinz“, sagte Mama und war geneigt, etwas mitzulächeln.
    Papa hingegen hatte sich noch nicht entschieden. Er studierte mich. Bei ihm ist es so: Wenn ich zu viel lache, sieht er gleich seine häusliche Regierungsgewalt bedroht und schreitet ein.
    „Da stimmt doch was nicht“, witterte er und betrachtete mich von allen Seiten.
    Meine Mama fragte wohlwollend: „Was soll denn da schon nicht stimmen, Richard?“ Natürlich hatte Mutti inzwischen auch bemerkt, daß da etwas nicht im Lot war, aber sie ist oft auch dazu da, die voreiligen Maßnahmen meines Papas zu mildern. Sie fragte, um Papas Verdacht abzulenken und die Antwort schon wissend: „Hast du vielleicht doch Eis gegessen?“
    „Nein.“
    „Eis“, wiederholte Papa geringschätzig. „Da steckt was ganz anderes dahinter. Guck dir doch mal die Augen des Herrn Sohnes an. Die schwimmen in Seligkeit!“
    „Ach, Richard, das ist vom Lachen“, meinte Mama und machte ein harmloses Gesicht.
    Darauf fiel Papa nicht herein. Er sagte schroff: „Also dann hast du Bier getrunken!“
    Ich schüttelte den Kopf und wundert mich, daß ich nun nicht mehr zu lachen brauchte.
    „Kein Bier? Keinen Schnaps?“
    „Nein, nur Fruchtwein - ein paar Schluck bloß.“
    „Ist denn so etwas möglich!“ staunte Papa und blickte mich an, als wäre ich ein alter Säufer und nicht mehr zu retten. „Fruchtwein! Fruchtwein!“ schrie er. Ich wunderte mich, warum er immer das Frucht so betonte. „Ich dächte, dir oft genug erklärt zu haben, wie schädlich Alkohol ist, und da trinkst du einfach so Fruchtwein auf dem Rummel?“ Papa schüttelte entsetzt den Kopf, ging im Wohnzimmer auf und ab, trat ans Fenster, zupfte an der Gardine, entdeckte den Fernsehapparat und schimpfte: „Wie oft hast du schon im Fernsehen, im Radio gehört, daß Alkohol schädlich ist, und in der Zeitung, die Artikel, alles kennst du - und trotzdem, nein, ich muß schon sagen: allerhand, Heinz!“
    „Nicht wahr, Heinz, das machst du nimmer!“ Mama sah mich nun auch schon so an, als wäre ich völlig betrunken.
    „Machst du nimmer, machst du nimmer“, äffte Papa nach. „Ich hab mal ein Buch gelesen“, holte er weit aus, „das hieß ,Der Säufer“ und war von einem gewissen Laffada. Da konnte man erleben, wo das hinführt, bis in die Anstalt, bis in die Anstalt.“
    Nun übertrieb aber Papa schon wieder und malte gleich meine ganze Zukunft schwarz.
    „Das macht er auch nicht mehr“, wiederholte Mama. „Dazu wird er auch keine Gelegenheit mehr haben“, sagte Papa, schickte mich sofort ins Bett und verbot mir, am Sonntag auf den Rummel zu gehen. In der Schlafstube mußte ich Mama erzählen, warum ich Fruchtwein getrunken hatte. Und danach sagte sie: „Papa ist immer gleich obenraus. Laß also solchen Quatsch. Übrigens bist du noch gut weggekommen.“
    Daß ich gut weggekommen war, hatte mich selber etwas gewundert. Es lag wahrscheinlich darin begründet, daß Papa und Mama selber zum Erntefest gehen und sich den Spaß nicht verderben lassen wollten; denn wenn sie sich über mich ärgern müssen, ärgern sie sich so gründlich, daß man es uns allen dreien ansieht.
    Das erste Mal erwachte ich gegen Mitternacht. Mama kam nach Hause.
    „Schlaf schön, Heinz, schlaf weiter“, flüsterte sie, „Papa spielt bloß noch ein bißchen Skat.“
    Das zweite Mal erwachte ich gegen Morgen. Ein Rollwagen rumpelte die Dorfstraße herauf, ohne Pferd, aber mit vier Männern, die ihn schoben und zogen. Obenauf stand das Unterteil eines Sarges, geschmückt mit Dahlien und Astern, und aus den Blumen ragten ein Paar Schuhspitzen, die jedesmal zitterten, wenn der Wagen durch ein Schlagloch holperte. Ich wollte gerade anfangen, traurig zu werden, da zückten die Männer eine Flasche, blieben stehen und tranken reihum. Sie lachten vergnügt. Danach brüllte einer: „Hühehott, Hengst“, und weiter rumpelte die Fuhre.
    Irgendwie hielt ich es für angebracht, Mama schleunigst zu wecken. Vielleicht waren die Schuhspitzen daran schuld.
    Mama

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