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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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wohingegen die Gewerkschaften keinerlei Bedeutung hatten. Während der Schlitterfahrt in die Stadt sah Fritzi jedoch nur weniges, was man als exotisch hätte bezeichnen können: eine ramponierte, verblaßte Plakatwand, die das ERSTE AMERIKANISCHE FLUGSPORTTREFFEN 10. - 20. JANUAR 1910 ankündigte, dann eine zweite für das PASADENA TOURNAMENT OF ROSES, eine Neujahrsparade, von der sie schon gehört hatte. Sie fuhren durch ein Viertel mit kleinen Holzhäusern, in deren Gärten Bohrtürme standen.
    Drei- und vierstöckige Holz- und Sandsteinhäuser drängten sich im Geschäftszentrum der Stadt. Auf einem Straßenschild stand »Broadway«, aber ein einladendes Theater war nirgends zu sehen.
    Zäune und Wände waren mit greller Reklame bemalt: BAU- UND NUTZHOLZ; ZAHNARZT; OFEN, BLECH- UND EISENWAREN; BAUGRUNDSTÜCKE REDONDO BEACH - PREISGÜNSTIG! Ein schwarzer Kastenwagen mit einem Schild auf dem Dach, auf dem NEUER CHEV. KOMBI 899$ stand, ratterte vorüber. Los Angeles schien nicht viel mehr als eine Aneinanderreihung üblicher Straßen mit Bürogebäuden und Warenhäusern, Filmtheatern und Barbierläden, wie man sie auch in den Kuhdörfern der Prärie fand.
    Wie in jeder Großstadt schob sich auch hier ein Gewirr aus Drähten und Leitungen zwischen Straßen und Himmel. Rote Trambahnen rollten auf Schienen in der Straßenmitte, bimmelten mit ihren Glöckchen, verspritzten Matsch und zwangen Fußgänger und Fahrzeuge, die sich ihnen in den Weg stellten, zur Seite. Auf mehreren Wagen sah Fritzi die Aufschrift »Pacific Electric«.
    Der Fahrer machte einen kleinen Umweg zu einer Kreuzung, um ihr eine örtliche Sehenswürdigkeit zu zeigen, eine Seilbahn namens Angel’s Flight, Engelsflug, die ihre Passagiere auf einen steilen Berg beförderte. Eine Straße weiter kam ein Ochse mit riesigen Hörnern aus einer Gasse gerast. Er hielt Ausschau nach einem Opfer und schoß bereits auf das Taxi zu. Der verzweifelte Fahrer drückte auf die Hupe. Der Ochse ließ sich davon wenig beeindrucken und stieß ein unheilvolles Brüllen aus, bevor er sein Augenmerk auf eine Frau in der Mitte der Straße verlagerte; die sank auf der Stelle ohnmächtig in die Arme ihres Mannes. Als zwei Männer mit Stachelstöcken aus der Gasse gestürzt kamen, trottete der Ochse friedlich davon.
    »Hat mal wieder jemand vergessen, im Schlachthof das Tor zuzumachen«, bemerkte der Fahrer.
    »Hier gibt es einen Schlachthof?«
    »Aber ja, sogar einen großen. Wissen Sie, irgendwie ist die Stadt ein schnell gewachsenes Bauerndorf.«
    Als sie ankam, hatte sie es nicht gewußt, aber sie lernte schnell.
    Das hübsche Kuppeldach über dem Seiteneingang des 1903 erbauten Hotels Hollywood stach dem Besucher als erstes ins Auge. Auf dem Dach wehte eine amerikanische Flagge trotzig im stürmischen Wind. Das zweistöckige Hotel hatte eine breite Veranda und eine angenehme, einladende Fassade. Aber der Name der Straße war ein eindeutiger Fehlgriff, denn dieser Hollywood-»Boulevard« erwies sich als eine unbefestigte Straße mit unzähligen Schlammlöchern. In der Mitte verliefen Trambahnschienen, und aus vier oder fünf Meilen Entfernung reihte sich Telephonmast an Telephonmast bis in die Stadt hinein. Der Ort Hollywood wirkte leer, ländlich und unkultiviert - nichts als Farmen, Gasthäuser, Mietstallungen, kleine Haine mit Zitrusbäumen und dazwischen viele trostlose Brachen.
    »Ist Hollywood eine eigene Stadt?« erkundigte sie sich bei ihrem Fahrer.
    »Jetzt nicht mehr. Die Bewohner haben wegen der Wasserversorgung für die Eingemeindung zu Los Angeles gestimmt. Ein Ingenieur namens Mulholland will es von Owens Valley bis zu uns bringen, das sind ganze zweihundertfünfzig Meilen. Die Leitungen sollen in zwei, drei Jahren fertig sein.«
    Fritzi gab dem Mann zwanzig Cent Trinkgeld und winkte einen Hotelpagen herbei, der ihr Gepäck hineintrug. In ihrem schlichten, aber komfortablen Zimmer im zweiten Stock fand sie einen Willkommensgruß von Sophie Pelzer, bestehend aus einer schriftlichen Nachricht und einer Vase mit Mohnblumen aus dem goldenen Kalifornien sowie einem Stapel Anzeigen für Häuser und Zimmer, die vermietet wurden. Sophie hatte einige mit Pfeilen und Unterstreichungen markiert und dazu geschrieben: »In diesen Gegenden sind alleinstehende junge Damen sicher, Mr. Pelzer hat sich selbst davon überzeugt.«
    Den Rest des Tages verbrachte Fritzi damit, auszupacken, dem Regen zu lauschen und über ihre Zukunft nachzudenken. Nach einem leichten Abendessen im

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