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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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etwas für sie tun könne. Er konnte nichts für sie tun. Sie allein war verantwortlich für den Tod dieses Menschen. Ihre Eltern hatten sie Achtung vor dem Leben gelehrt, auch in seinen verächtlichsten Formen. Es würde Tage, Jahre dauern, bis sie das, was sie getan hatte, vergessen konnte - vielleicht würde sie es nie vergessen.
    Aber sie dankte Harry und trat rasch in die Wohnung, weil sie hoffte, daß sie sich in ihren eigenen vier Wänden sicherer und ruhiger fühlen würde.
    Da hatte sie sich falsche Hoffnungen gemacht. Mit offenen Augen, die Arme schützend über der Brust gefaltet, lag sie wach im Bett und sah immer wieder die letzten Sekunden auf dem Bahnsteig vor sich ablaufen. Nur einen Fingerbreit in die andere Richtung, und statt Pearly hätte sie unter dem Zug gelegen. Jetzt konnte er sie nicht mehr bedrohen. Und jetzt sah sie Kalifornien mit anderen Augen. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als allem zu entfliehen, einen neuen Anfang zu machen, diese schreckliche Nacht hinter sich zu lassen ...
    Als ob das jemals möglich wäre!
48. UND NOCH EINMAL AUF IN DEN WESTEN!
    Auf dem Weg nach Chicago schwor sich Fritzi, niemandem etwas von der Geschichte mit Earl Purvis und seinem schrecklichen Ende zu erzählen. Hätte sie mit ihren Eltern darüber gesprochen, hätte sie lediglich deren Ängste bestätigt, was die Schauspielerei betraf und die Bedingungen, unter denen sie arbeitete. Eigentlich wollte sie mit niemandem über Purvis reden. Er war tot und konnte sie nicht mehr bedrohen, aber es würde lange dauern, bis die Erinnerung an ihn verblaßt war.
    Als sie ankam, beschloß sie, im Sherman House zu übernachten, statt sich ein Taxi zum Haus ihrer Eltern zu nehmen. Obwohl sie das für die vernünftigste Entscheidung hielt, war sie traurig darüber. Sie rief ihre Mutter an, als der Page eben das Gepäck ins Zimmer brachte.
    »Mama? Ich bin in Chicago, aber nur kurz, denn ich bin auf dem Weg nach Kalifornien, um weitere Filme zu machen.«
    »Warum, um Himmels willen, hast du nicht telegraphiert?«
    »Ich wußte doch nicht, ob ihr mich überhaupt sehen wollt.«
    »Oh, Liebchen!« Das unterdrückte Seufzen in Ilsas Stimme war das unausgesprochene Eingeständnis, daß Fritzis Bedenken nicht grundlos waren.
    »Ich möchte dich sehen.«
    »Ich fahre gleich los, ich nehme ein Taxi«, antwortete Ilsa.
    »Heißt das, daß ich nicht nach Hause kommen kann? Ich würde gern mit Papa sprechen.«
    »Das halte ich für unklug. Natürlich kannst du machen, was du willst, aber ich würde dir abraten. Dein Vater ist leider immer noch böse.«
    »Böse? Mir?«
    »Dir, mir - und der ganzen Welt.«
    »Aber ich habe doch Erfolg gehabt. Er war sicher, daß es mir nicht
    gelingen würde.«
    »Ein Grund mehr, böse zu sein. Du hast ihm bewiesen, daß er unrecht hatte.«
    Nachdem beide einen Augenblick lang gequält geschwiegen hatten, sagte Fritzi: »Laß dir ein Taxi kommen, Mama. Ich reserviere uns einen Tisch im Speisesaal.«
    Ein zwischen den Tischen herumwandernder Geiger erfüllte den von Kerzen beleuchteten Raum mit romantischen Klängen. A Girl in Central Park, das Lied, bei dem ihr sonst unweigerlich die Augen glänzten, prallte fast ungehört von ihr ab; sie war immer noch viel zu aufgewühlt.
    »Mama, was um Himmels willen ist denn los mit Vater? Welchen Grund hat er, mir böse zu sein?«
    »Soll ich dir eine Liste machen? Erstens: Er ist ein Mann. Er wird alt, kann nichts dagegen tun und findet sich nur sehr schwer damit ab. Die Verfechter der Prohibition setzen ihm ständig zu. Außerdem ist er, wie du weißt, Deutscher. Und die Deutschen sind, auch das dürftest du wissen, entsetzlich nachtragend.«
    »Mama, am Donnerstag hatte ich Geburtstag.«
    »Ach, ja, freilich. Herzlichen Glückwunsch. Ich habe dir ein Paket nach New York geschickt. Hast du’s bekommen?«
    »Nein. Aber egal.«
    »Kind, ich bin ein bißchen vergeßlich. Wie alt bist du jetzt? Neunundzwanzig?«
    »Dreißig, Mama, dreißig. Weißt du, was das bedeutet? Es bedeutet, daß ich eine alte Jungfer bin. Aber es bedeutet auch, daß ich alt genug bin, daß mein Vater meine Entscheidung respektiert, mein Leben so zu leben, wie ich es für richtig halte.«
    »Oh, Liebchen, das tut er ja.«
    »Das stimmt nicht. Du versuchst doch nur, meinen Zorn zu besänftigen. Aber eines Tages wird er es, das verspreche ich dir.« Fritzi schlug so heftig auf den Tisch, daß das Besteck tanzte. »Ich verspreche es dir.«
    Ilsa fächelte sich mit ihrem Taschentuch

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