Fremde Federn
schräg nach oben. Von der obersten Reihe der Haupttribüne bot sich ein herrlicher Ausblick auf die Berge im Osten und den sonnengleißenden Pazifischen Ozean im Westen.
An diesem Sonntag, dem letzten Tag im April, erwartete Fritzi nicht, daß Carl diesen Oldfield schlagen könnte. In seinen Briefen hatte er ihr erklärt, daß der Ausgang solcher Ausscheidungsrennen im voraus festgelegt werde. Trotzdem jubelte sie in natürlicher Begeisterung und schwesterlicher Zuneigung, als Carl den zweiten Durchgang mit einer Länge Vorsprung gewann.
Benzin- und Öldämpfe mischten sich mit dem Rauch, der von der Rennbahn aufstieg. In der letzten Runde schob sich Oldfield zwei Längen vor der Ziellinie plötzlich vor Carl und riß ihm dabei den linken vorderen Kotflügel ab. Von dem Aufprall wurde Carl in Richtung Haupttribüne geschleudert. Er riß das Steuer herum und drehte sich anschließend mehrmals im Kreis. Oldfield schoß auf das Ziel zu. Der dritte Fahrer hielt sich an der Innenwand, an der er entlangschlitterte, um Carl nicht in die Quere zu kommen, der nach einer letzten Drehung den Motor abwürgte. Fritzi preßte sich die Fäuste an den Mund, bis Carl den Motor wieder anließ und aus Oldfields Bahn tuckerte, der, ohne langsamer zu werden, auf ihn zuraste.
Carl fuhr eine schlechte letzte Runde und verließ die Bahn, während Oldfield eine Siegerrunde drehte. Unwillkürlich war sie enttäuscht und wütend. Leichtfertig hätte Oldfield ihren Bruder beinahe in einen Unfall verwickelt.
Hinterher bahnte Fritzi sich einen Weg durch die Menschenmenge nach unten. In der Garage wimmelte es nur so von Rennvolk, die Luft war rauchgeschwängert, alle lachten und schrien durcheinander. Fritzi erspähte Carl, der allein war und eben aus einem ölverschmierten Overall stieg. Sie schluckte, als sie den gräßlichen, bläulich schimmernden Fleck auf seiner linken Wange sah, direkt über einem Ölfleck.
»Carl?« Sie winkte ihm und drängte vorwärts. Er drehte sich um, und sie erschrak ein zweites Mal. Sein rechtes Auge war in dem Schlitz der geschwollenen und verfärbten Augenlider kaum mehr sichtbar.
»Schwesterchen, hallo, wie geht’s?« Er schlang die Arme um sie und beugte sich hinunter, um sie fest zu drücken. Sie wand sich aus seiner Umarmung und strich ganz sacht über sein arg zugerichtetes Gesicht.
»Was um alles in der Welt soll das sein?«
»Das Auge? Nur eine kleine Rauferei gestern abend. Auf dem Weg in die Stadt hatten wir angehalten, um uns in Ventura ein paar Bierchen zu genehmigen - nichts Ernstes.«
»Konntest du überhaupt genug sehen, um zu fahren?«
»Grade genug. Ich bin fertig für heute. Willst du dem großen Mann die Hand schütteln, bevor wir gehen?«
»Natürlich«, antwortete sie zögernd, verunsichert durch den widerwilligen Ton in seiner Stimme.
Carl wandte sich um und preschte wie ein Stürmer auf dem Fußballfeld nach vorne. »Wie lange wirst du hierbleiben?« fragte sie ihn.
»Bis zum Wochenende.«
»Das ist ja großartig, dann können wir einiges gemeinsam anschauen. Mr. Pelzer, der jetzige Chef der Liberty, meinte, ich könne mir deinetwegen freinehmen. Mein Regisseur hat sogar den Drehplan danach eingerichtet.«
Sie trafen Oldfield inmitten einer Gruppe von Bewunderern an. Seine ölige Fahrbrille hatte er in die strubbeligen Haare zurückgeschoben. An seinem Arm hing eine attraktive dunkelhaarige Frau. Sie bedachte Carl mit einem unfreundlichen Blick, als sie näher traten. Fritzi war entsetzt über Oldfields Aussehen: die fahle Gesichtsfarbe, die Tränensäcke unter den roten, wäßrigen Augen. Obwohl er relativ jung war, wirkte er alt und verbraucht.
»Barney, darf ich dir meine Schwester Fritzi vorstellen? Schwesterchen, Barney und Bess Oldfield.« Mrs. Oldfields Blick war schlichtweg feindselig.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, sagte Barney. »Ihr kleiner Bruder, was?« Fritzi nickte. »Ist’n guter Rennfahrer. Manchmal zu gut. Hoffe, die Show hat Ihnen gefallen. Komm, Süße.« Er stupste seine Frau und ging dann mit ihr hinaus.
Fritzi schob die Hutnadel in ihren Hut, als sie die laute Garage verließen. »Carl, was ist los? Dein Chef schien eingeschnappt zu sein.«
»Der König wurde letzten Sonntag vom Thron gestürzt«, erwiderte Carl. »In Daytona hat ein junger Bursche namens Wild Bob Bur-man Barneys Geschwindigkeitsrekord gebrochen. Und zu allem Übel fuhr er auch noch einen von Barneys alten Wagen. Barney ist schon die ganze Woche furchtbar geladen. Gestern
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