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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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dem Taxi ab.«
    »Nein, nein, das wäre ein zu großer Umweg für dich; wir treffen uns in deiner Nähe.« Plötzlich beschlich ihn der Verdacht, daß er nicht sehen sollte, wo sie wohnte.
    Paul wartete auf der Fifth Avenue an der großen Reiterstatue von General Sherman. Neben ihm auf dem Gehsteig stand ein großer, vom Koch des Hotels bestückter Korb und ein Lackkoffer, in dem sich seine Stereokamera befand. Dieses Wiedersehen mußte er einfach filmen. Selbst als er noch Pauli Kroner gewesen war, der Junge, aus dem später Paul Crown wurde, hatten ihn die anderen wegen seiner Sammelleidenschaft schon hänselnd als Hamster bezeichnet. Er besaß von dieser Reise bereits zahlreiche Andenken - Speisekarten von der Lusitania, Ansichtskarten aus den Städten, die er besucht hatte, eine kleine Freiheitsstatue für Shad, eine Puppe für Betsy. Nur ein Geschenk für Julie fehlte ihm noch. Er vermißte seine Frau ganz schrecklich. Der heutige Tag versprach eine kleine Erholung von seinem Heimweh.
    Er warf einen Blick auf seine Taschenuhr. Viertel nach zwölf. In dem Moment hörte er ihre Stimme. »Paul! Hier bin ich!«
    Winkend stand sie auf der gegenüberliegenden Seite der Neunundfünfzigsten Straße. Im gleichen Augenblick rannte sie los, überquerte die Straße vor einem Wagen und warf sich ihm in die Arme. Lachend wirbelten sie herum, ohne auf die neugierigen Blicke der Sonntagsspaziergänger zu achten. Fritzi trug einen dunkelblauen Bahnenrock, dazu eine langärmlige, blauweiß karierte Bluse mit weißer Paspel. Eine marineblaue Matrosenmütze saß keck auf ihrem blonden Haar.
    Sie küßte ihn auf die Wangen. »Du siehst wunderbar aus.«
    »Du auch.« In Wirklichkeit fand er, daß sie blaß und mager wirkte.
    »Wo ist dein Freund?«
    »Er wird gleich kommen. Er weiß, wo wir uns treffen.«
    »Erzähl mir von ihm. Wie alt ist er?«
    »Jünger als ich. Siebenundzwanzig, achtundzwanzig.«
    »Verheiratet?«
    »Ja, leider.«
    »Schade. Er wohnt wahrscheinlich in Manhattan?«
    »Er hat ein Büro im Viertel Tin Pan Alley, an der Neunundzwanzigsten Straße, wohnt aber in Port Chester. Er nimmt den Mittagszug.«
    »Kommt seine Frau auch mit?«
    »Nein, sie sitzt im Rollstuhl.« Der Fußpfad, den sie einschlugen, schlängelte sich vor ihnen durch Bäume und Gebüsch. Sie hatten sich einen wunderschönen Tag ausgesucht, klar und erfrischend. Die Bäume leuchteten in den verschiedensten Farben, das Licht, das durch die Blätter fiel, war wie eine magische Laterne. Der Rauch, der vielerorts von Laubfeuern aufstieg, vermischte sich mit dem durchdringenden Geruch von Pferdeäpfeln, der vom nahe gelegenen Reitweg herüberwehte.
    »Harrys Frau hatte vor ein paar Jahren einen Schlaganfall«, fuhr Paul fort. »Sie war eine erfolgreiche Sängerin, Flavia Farrel, zwanzig Jahre älter als Harry. Er war ihr musikalischer Begleiter und Dirigent.« Und ihr Liebhaber. Aber das erwähnte er nicht.
    »Flavia hat Harry zum Durchbruch verholfen, von ihr kamen die ersten musikalischen Aufträge. Als sie nach dem Schlaganfall nicht mehr singen konnte, hat er sie geheiratet. Seit damals kümmert er sich um sie.« So war Harry - gefühlvoll und loyal. Paul blieb stehen, blickte auf einen kleinen Hügel zu ihrer Linken. »Das ist die Stelle, die Harry mir beschrieben hat. Komm!«
    Er nahm den Korb, sie die Stereokamera, und gemeinsam stiegen sie zur sonnigen Kuppe hinauf. Die nächste halbe Stunde glich einem Frage- und Antwortspiel. Sie erkundigte sich nach seiner Reise, seinen Vorträgen, Julie, Shad und Betsy. Er ließ sich von ihrem Leben erzählen. Traurigkeit beschlich sie, als sie über ihre Entfremdung von ihrem Vater sprachen.
    Paul legte seine Mütze ab, zog seinen Mantel aus, lockerte seine Krawatte und krempelte die Ärmel hoch. Fritzi knöpfte ihre Stulpen auf und legte ihre Mütze ins Gras. Er überreichte ihr ein in braunes Papier eingewickeltes Päckchen, das sie sofort aufmachte.
    »Oh, Paul!« Sie hielt das Buch hoch. »Ich bin ja so gespannt darauf.«
    »Es ist die Londoner Ausgabe. Bis jetzt verdanke ich meinen ganzen Erfolg damit einzig und allein dir. Dick Davis hat mir in einem Brief mitgeteilt, daß er es großartig findet ... Ah, da kommt Harry.«
    Auf dem Fußweg näherte sich ein großer, schlanker Mann mit breiten Schultern. Er winkte ihnen zu, während er mit einem Leinenbeutel den Hügel heraufgerannt kam. Er trug einen eleganten dunklen Kammgarnanzug. Seine Schuhe waren aus teurem Ziegenleder mit makellos polierten

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