Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi
wurde von einer jungen Frau bewirtschaftet, die am Ufer des Sees den Sommer über Kü he hütete und die Milch verarbeitete.
»Na, dann lohnt sich dein Freigang vom Gasthaus wenigstens«, versuchte sie, Benny aufzumuntern, der mit jeder Faser seines Körpers ausdrückte, den Aufstieg nicht machen zu wollen.
»Wie meinst du das?«, fragte er gereizt.
»Ach geh, die Salet-Sennerin ist ein rechter Feger. Siehst sie doch sicher öfter. Sag halt Hallo und morgen kannst du beim Abstieg wieder vorbeikommen. Dann bist du allein.« Moni lachte kumpelhaft und machte sich, als das Boot angelegt hatte, auf den Weg. Benny wirkte ertappt und trottete ihr hinterher.
»Wenn man dich so hört, möchte man meinen, du bist meine Schwester und versuchst, mich zu verkuppeln. Das brauch ich nicht. Echt. Ich geh nur wegen dem Vater mit«, versuchte er sich zu verteidigen. »Er hat mich drum gebeten, auch wenn ich das albern finde. Der Alte hält ja große Stücke auf dich, bist ja auch im Berg viel sicherer als sein Sohn. Die Natur ist für mich eher eine Bühne, eine Art Galerieraum, nichts, um sich körperlich auszutoben.«
»Und für mich ist das Gebirge die Wohnstube. Da fühl ich mich wirklich daheim. Aber ich find’s schön, dass du deinem alten Va ter den Gefallen tust. Auch wenn’s steil anzieht.«
Sie gingen ein Stück am Ufer entlang, durchschritten ein Holzgatter und befanden sich kurze Zeit später vor der Sennhütte. Bin Kühe suchen , stand dort auf einer Kreidetafel geschrieben. Benny stülpte enttäuscht die Lippen vor und machte sich ohne weiteren Aufenthalt auf einem matschigen Weg durch die Wiese an den Aufstieg.
Schnell passierte der Pfad in scharfen Serpentinen einen Kiefernwald und führte über große Steinbrocken hinweg nach oben. Die Qualität des Weges war mit der oft begangenen Wanderstraße der Saugasse nicht zu vergleichen. Die Route von Salet aus war insgesamt vermooster, rutschiger und erforderte immer wieder das Überklettern von Felsen.
Schnell hatte Moni den untrainierten Benny abgehängt. Oft wartete sie, um dann im Augenblick seines Anschlusses weiterzugehen. Eine Qual für den rotblonden, leicht verfetteten Wirtssohn.
Über die ersten zwei Stunden sprachen beide kaum ein Wort. Heftiges Atmen und die eigenen Gedanken hielten sie in sich gefangen. Der junge Mann sah dabei immer wieder zu seiner Schutzperson hin und konnte einen aufsteigenden Groll nicht verhindern. Je dynamischer sie wirkte, desto mehr biss er auf sei ne Lippen und verkrampfte die Hände.
Unter einem kleinen Überhang, der am Weg lag, machten sie ei ne Pause. Moni zog die Thermoskanne aus ihrer Jackentasche und reichte sie weiter. Benny nippte an dem inzwischen lauwarmen Getränk. Schweigend und mit roten Gesichtern blickten sie zur Felswand hinauf und in den Wald unter ihnen.
»Das ist noch ein gutes Stück. Wenn wir das nur bis zur Dämmerung schaffen«, sorgte er sich.
»Ach geh, du bist doch stark, jung und gesund. Geh halt vor und gib das Tempo an. Wir werden bei der Gundi zusammen ankommen. Auf geht’s.«
Sie steckte die Thermoskanne weg und forderte ihn mit einem Blick auf, vor ihr herzugehen. Keuchend und innerlich fluchend setzte er ein Bein vor das andere. Er dachte an seinen Vater und die Frau, die er jetzt begleitete.
In einer Kehre weckte ein größerer Stein Bennys Aufmerksamkeit. Er hielt an. Die Oberfläche des Felsbrockens zeigte blutrote Violenflechten, die in ihrem fleckenartigen Wuchs wie dahingetropft wirkten. Ihre Farbe leuchtete und hob sich vom grünlich-grauen Untergrund ab. Der Künstler in ihm zollte ihrer Schönheit Respekt.
An dieser Stelle war der Pfad, den sie aufstiegen, besonders steil. Moni stand eine Serpentinwendung zurück direkt unter ihm. Er sah, dass der befleckte Brocken auf einem abgeknickten, jungen Baumstamm lag und machte einen Schritt darauf zu.
Das knirschende Stapfen über ihr hatte aufgehört. Daran merkte sie, dass ihr Begleiter stehen geblieben war, und sah steil den Hang hinauf. Doch außer bemoosten Felsen, Farnen und Kiefern im Hang war nichts zu erkennen. Sie dachte an Bennys dickliche Gestalt, seine Kunstambitionen und lächelte in sich hinein. Mit dem Blick auf den Boden des schwierigen Pfades ging sie weiter. Bis jetzt war ihr niemand begegnet, der den Hocheck-Sohn ernst nahm. Er galt als nett und wurde geduldet. Der langsamste Ober in Sankt Nepomuk. Selbst die Gundi im Koglerhaus machte ihre Späße über ihn. Dann musste sein Name als Beispiel für
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