Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
Chuzpe oder den Anstand gehabt hatte, es mir zu sagen.
»Eigentlich ist mir mein Vorname lieber«, sagte er und streckte die Hand aus, als wären wir uns noch nie begegnet. »Winters.« Sein Ton war herzlicher, als ich erwartet hatte. »Erzählen Sie mir nicht, Sie haben die lange Reise auf sich genommen, um wegen des Jobs nachzufragen.«
»Ich bin zu Besuch bei meinen Eltern. Sie wohnen in der Ashland Avenue.«
»Sie? Ein California Girl?« Die Beach Boys hatten nie Balladen über brünette kraushaarige Bücherwürmer gesungen, die in ihrer Highschoolzeit
Jarmulkes
für ihre festen Freunde häkelten. »Oder sind Ihre Eltern erst vor Kurzem hierhergezogen?«
»Könnte man meinen, wenn man sie reden hört. Aber es ist schon achtunddreißig Jahre her.«
Der Job – darüber will ich reden. Will er etwa, dass
ich
ihn danach frage?
»Was führt Sie nach Kalifornien?«
»Ein Besuch bei meinem Bruder«, sagte er, »und so kann ich auch an einem Meeting teilnehmen und nebenbei Ihren Anrufen entgehen.«
»Und?« Ich lächelte noch einmal.
Sie
Schmock
. Spucken Sie’s aus.
»Ich will ehrlich sein«, sagte er.
Wie erfrischend.
»Wir haben einige Kunden verloren.«
Die Sorgen und der Betrug, alles umsonst.
»Aber gestern konnte ich einen neuen Kunden an Land ziehen. Das Jobangebot steht also definitiv wieder.«
Meine Laune besserte sich, und ich sah mich schon auf kostenlosen Geschäftsreisen, die auch Besuche bei meinen Eltern einschlossen.
»Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen«, hatte er die Gnade zu sagen, »dass ich Sie so lange warten ließ. Sie und eine andere Bewerberin sind in der Endrunde. Ich habe mir vorgenommen, eine Entscheidung zu treffen, wenn ich nächste Woche wieder in New York bin.«
Ich warf einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass zwischen den Datteln und Tomaten keine Freundin meiner Mutter herumspionierte, und trat etwas näher an Winters heran. »Wenn das so ist«, gab ich zurück. »Ich bin sehr interessiert.«
»Das ist mir nicht entgangen.« Er erwiderte mein Lächeln,und ich spürte, wie seine Schulter kaum merklich meine streifte. »Wollen wir nicht bei einem Kaffee darüber sprechen?«
Henry würde bald aufwachen, aber ich fand, dass ich keine andere Wahl hatte. »Warum nicht?«, erwiderte ich und ließ ihn vorausgehen zu einem kleinen Tisch unter einem weißen Marktschirm. Er legte eine Hand auf meinen Arm. Ich empfand noch eine Extraportion Schuldgefühl, als die Fiese Fiona erneut feststellte, dass Winters zwar nicht wirklich gut aussehend war, aber trotzdem etwas Anziehendes hatte, das in seinen Augen und seiner Arroganz lag. Er schien aus den 1950er-Jahren in dieses Jahrhundert hineinstolziert zu sein. Winters war kahl, während Tom einen dicken Haarschopf hatte. Doch warum stellte ich überhaupt Vergleiche an?
Ich bedauerte, dass ich ein knappes rückenfreies Top trug, das ich aus den Tiefen meines alten Schranks gezogen hatte, Jeans, die in keiner Hinsicht modisch zu nennen waren, und alte Sandalen, die meine unlackierten Zehennägel präsentierten. Immerhin waren meine Haare frisch gewaschen.
»Sprechen Sie mit mir.« Vier Worte der Verführung. Ich versuchte, die unterschwellige Botschaft in Winters’ Aufforderung einfach zu ignorieren und ihm unverfänglich zu antworten. Doch das wurde noch schwerer, als er hinzufügte: »Warum sollte ich Ihnen diesen Job geben, mal abgesehen davon, dass Sie hinreißend sind?«
»Sie werden kaum eine bessere Werbetexterin finden als mich«, begann ich. Ich nahm sein Kompliment weder ernst noch reagierte ich darauf. Obwohl ich froh war, dass dieser Mann im Schatten des Marktschirms wohl nicht sehen konnte, wie meine Gesichtsfarbe sich änderte. »Ich bin schnell, ich bin scharfsinnig, ich bin –«
»Erzählen Sie mir von Talia«, warf er ein. »Von Talia, der Frau.«
Ich versuchte, nicht das Dreieck dunklen lockigen Haars anzustarren, das aus Winters offenem Hemdkragen lugte.Doch ich wusste nicht, wohin sonst ich blicken sollte. »Ich bin hier aufgewachsen.«
»Das ist mir schon klar.« Er stützte das Kinn auf die gefalteten Hände. Eine Geste, die besagte:
Ich habe alle Zeit der Welt.
»In den Osten bin ich gezogen, um dort aufs College zu gehen«, fügte ich hinzu und spulte einige Stationen meines Lebenslaufs ab – studentische Beraterin auf dem Campus, Redakteurin einer literarischen Zeitschrift –, während eine rothaarige, schlanke und sehr hübsche Kellnerin unsere Bestellung aufnahm, zwei
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