Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
Wunderkerze, die immer leuchtend hell brannte, ganz egal, was passierte. »Los jetzt. Sonst kommt ihr noch zu spät.«
Ich ließ zwei Züge an meiner Haltestelle in Brooklyn vorbeifahren, ehe ich mich in einen dritten hineinquetschte, indem ich eine Dreiviertelstunde lang zwischen dem Rucksack eines Touristen und einer hochschwangeren Frau stand, die von all den Leuten, die das Glück gehabt hatten, einen Sitzplatz zu ergattern, erfolgreich ignoriert wurde. Am Union Square in Manhattan stieg ich aus und ging die sieben Blocks bis zu meinem Büro zu Fuß, wo ich gerade noch rechtzeitig zum Mitarbeiter-Meeting ankam. Während unser Team eine Präsentation vorstellte, die unser Kunde mit Sicherheit als geniale Werbekampagne für seine Kakerlakenfalle erkennen würde, versuchte ich, mich mit allen Tricks, die ich kannte, wach zu halten. Ganze drei Stunden vergingen, bevor ich an meinen Schreibtisch zurückkehren und die Papiere durchgehen konnte, die unsere Praktikantin mir gab.
Und da sah ich sie, die Nachricht von der viel gerühmten June Rittenhouse, die ich nur dem Namen nach kannte. Sie war die Top-Headhunterin für mein Arbeitsgebiet, eine Frau, die Stellen in Unternehmen vermittelte, die außerordentlich gut zahlten; eine Liste, auf der die Werbeagentur, in der ich arbeitete, leider nicht vertreten war. »Dringend« stand auf dem giftgrünen Zettel, und er war für Chloe Keaton.
Ich griff nach dem Telefon, um sie anzurufen. Chloe und ich sind nicht nur enge, sondern auch alte Freundinnen. Wir kennen uns vom altehrwürdigen Dartmouth College, wo wir uns kurz begegnet waren, als wir vor den Semesterferien unsere Freunde dort abholten. Nach dem Abschluss des Studiums hatten wir uns in einem prüden Hotel für Frauen in New York wiedererkannt. Mittlerweile teilten wir uns einen Job als Werbetexter und es verging kaum ein Tag, an dem wir nicht voneinander hörten. Chloes Handy hatte bereits zweimal geklingelt, als in meinem Inneren eine böse Stimme das Wort ergriff. Ich nenne sie die Fiese Fiona.
Warum soll Chloe all die Chancen bekommen? Vielleicht macht June Rittenhouse ja bloß Kaltakquise und arbeitet einfach ihre Telefonliste ab. Du, Talia Fisher-Wells, bist genauso
talentiert – vielleicht sogar noch talentierter – und brauchst zehnmal dringender einen besser bezahlten Job als Chloe. Und vermutlich handelt es sich sowieso um eine Stelle, die weder Chloe noch dich jemals wirklich interessieren würde.
So versprühte die Fiese Fiona immer weiter ihr Gift, bis ich sie, wenig überzeugt und ziemlich empört, schließlich zum Schweigen brachte und mit meiner Arbeit weitermachte. Chloe rief ein paarmal an und fragte, ob irgendwelche Nachrichten für sie gekommen seien. Ich richtete sie ihr aus. Alle – bis auf eine.
Auf der Fahrt nach Hause schrie in meiner Handtasche immer noch der grüne Zettel:
Ich gehöre Chloe!
Die Fiese Fiona hielt kreischend dagegen:
Kommt gar nicht infrage! Talia, sei keine Idiotin.
Irgendwann drehte sich der Streit dann um eins der von mir meistgehassten Themen: die rätselhafte, ungerechte Verteilung von Geld und Glück im Leben. Als ich endlich unsere Wohnung in Park Slope erreicht hatte, schäumte ich innerlich bereits. Was niemals Gutes für Tom bedeutete. Ich saß an unserem Küchentisch und öffnete die Post, die heute nicht nur Rechnungen enthielt, sondern auch einen Artikel, in dem Restaurants in Rom besprochen wurden. »Überlegt es euch, meine Lieben«, hatte Jules in ihrer schrägen Handschrift darübergekrakelt. Jules, Chloe, Quincy und ich wollten uns demnächst treffen, um Pläne für unseren alljährlichen gemeinsamen Kurztrip zu schmieden, und Jules fuhr eine Kampagne, als handelte es sich um die Vorwahlen zum Präsidentenamt der USA. Sie war wirklich eine Strategin vor dem Herrn.
»Warum bin ich die Einzige, die sich dauernd übers Geld Gedanken machen muss?«, schimpfte ich laut vor mich hin.
Tom stieß ein Stöhnen aus und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. »Erwartest du, dass ich diese Frage beantworte?« Er hasst es, wenn ich herumnörgle, genauso wie es mich ärgert, wenn er wieder mal einen Vortrag darüber hält, dass ich nur auf die Reichen dieser Welt schaue. Bei diesemThema landen wir immer rasend schnell in einer Sackgasse. Denn ich weise ihn nur allzu gern darauf hin, dass er sich gar nicht erst um die Aufnahme in den Club der Habenichtse zu bewerben brauche, da er aufgrund seiner Herkunft sowieso abgelehnt würde. Und außerdem
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