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Frevelopfer

Frevelopfer

Titel: Frevelopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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wahrscheinlich gegen seinen Willen verabreicht wurde.«
    »Aber es war noch nicht im Blut?«
    »Das muss sich noch herausstellen«, sagte der Arzt. »Die Untersuchung auf toxische Stoffe dauert etwas länger.«
    Elínborg sah den Arzt an. »Ja, natürlich.«
    »Die Wirkung tritt etwa zehn Minuten nach der Einnahme ein, und dann wäre er vollkommen wehrlos gewesen.«
    »Das ist vielleicht eine Erklärung dafür, weshalb wir keinerlei Anzeichen eines Kampfes gefunden haben, keine Anzeichen dafür, dass er sich gewehrt hat.«
    »Ja, genau das meine ich. Er hätte sich nicht verteidigen können, wie sehr er es auch gewollt hätte.«
    »Genauso wenig wie sein vermutliches Opfer.«
    »Er hat seine Methoden am eigenen Leib zu spüren bekommen, falls du das meinst.«
    »Also hat ihm jemand dieses Giftzeug eingetrichtert, und dann war es ihm ein Leichtes, ihm die Kehle durchzuschneiden?«
    »Es ist deine Sache, das herauszufinden«, sagte der Arzt achselzuckend.
    Elínborg sah wieder auf die Leiche.
    »Er scheint ziemlich fit gewesen zu sein. Vielleicht hat er Frauen im Fitnessstudio angesprochen«, sagte sie.
    »Möglich, wenn er da trainiert hat.«
    »Er hat auch Privathäuser und Firmen besucht. Er war Telefontechniker.«
    »Dann ist er also viel herumgekommen.«
    »Und natürlich gibt es genügend Kneipen und Bars, in denen er Frauen kennengelernt haben kann.«
    »Hat es sich nicht vielleicht eher um zufällige Bekanntschaften gehandelt, als dass er Frauen in die Falle gelockt hat?«
    Über diesen Punkt hatten sie wieder und wieder diskutiert. Einige waren der Meinung, dass es ganz simpel abgelaufen sein musste, wenn Runólfur Frauen mit in seine Wohnung gebracht hatte. Irgendwelche Frauen waren auf ihn abgefahren und mit ihm mitgegangen. Man wusste allerdings nicht, ob er dabei tatsächlich die Droge zum Einsatz gebracht hatte, dafür gab es keine Zeugen. Andere wiederum gingen davon aus, dass er die Droge ganz sicher verwendet hatte, denn bei ihm schien alles durchorganisiert gewesen zu sein. Er hatte sich wohl nicht auf Zufallsbekanntschaften verlassen und auch kein Interesse daran gehabt. In irgendeiner Form musste er die Frauen gekannt haben, wenn auch nur oberflächlich.
    »Vielleicht«, sagte Elínborg. »Wahrscheinlich müssen wir einfach herausfinden, wie er Frauen kennengelernt hat. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Frau bei ihm war, als ihm die Kehle durchgeschnitten wurde, und dass sie es getan hat.«
    »Der Schnitt zumindest weist darauf hin«, erklärte der Arzt. »Das war mein erster Gedanke, als ich ihn sah. Aus irgendeinem Grund schwebt mir so ein altmodisches Rasiermesser vor, das man zusammenklappen kann. Du weißt, was ich meine?«
    »Ja.«
    »So ein Messer könnte ich mir vorstellen.«
    »Was meinst du damit, dass der Schnitt darauf hinweist?«
    Der Arzt sah auf die Leiche hinunter.
    »Er ist weich«, sagte er. »Als ich diesen Schnitt sah, dachte ich sofort, dass er … dass er irgendwie feminin wirkt.«

Neun
    In der Bar herrschte ein schummriges Licht. Eine große Fensterscheibe war eingeschlagen worden, und man hatte offensichtlich erst vor Kurzem eine Spanplatte vor die Öffnung genagelt. Elínborg nahm zwar an, dass das nur ein Provisorium war, aber sicher konnte man da nicht sein. Die Scheibe in der Tür war nämlich ebenfalls kaputt, und sie schien bereits vor viel längerer Zeit zu Bruch gegangen zu sein. Die Spanplatte dort war verkratzt und vollgekritzelt. Anscheinend hatte der Besitzer nicht vor, eine neue Scheibe einsetzen zu lassen. Er hat es wohl aufgegeben, dachte Elínborg.
    Der Besitzer bückte sich gerade unter die Theke. Erst wollte sie ihn nach dem Fenster fragen, aber dann ließ sie es bleiben. Das war eindeutig auf eine Schlägerei zurückzuführen. Vielleicht hatte jemand einen Tisch in die Scheibe geschleudert. Im Grunde wollte sie es gar nicht wissen.
    »Ist Berti heute schon hier gewesen?«, fragte Elínborg den Besitzer, der Bierflaschen in den Kühlschrank einräumte. Sie sah nur seinen Kopf von oben.
    »Ich kenne keinen Berti«, antwortete er, ohne hochzusehen.
    »Friðbert«, sagte Elínborg. »Ich weiß, dass er hier herumhängt.«
    »Hierher kommen viele«, sagte der Besitzer und richtete sich auf. Er war ein schlanker Mann um die fünfzig mit fahler Gesichtsfarbe und einem nicht sehr gepflegten Schnurrbart.
    Elínborg ließ ihre Blicke durch das Lokal schweifen und zählte drei Kunden.
    »Ist hier immer so viel los?«, fragte sie.
    »Mach dich bloß vom

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