Frisch verlobt
Weitere zehn Minuten später musste sie sich dann wirklich ernsthaft mahnen, dass es im Augenblick völlig unangebracht wäre, sich ihm in die Arme zu werfen.
Zur Halbzeit machten sie eine Pause. Die Jungs stürzten sich auf die Muffins und Brownies und hatten innerhalb von Sekunden alles verschlungen, was sie mitgebracht hatte. Hawk lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
„Gefällt dir das Spiel?“, wollte er wissen.
Das klingt so verdammt beiläufig, dachte sie, mehr als leicht irritiert. Nachdem das Licht wieder angeschaltet war, berührten sie sich nun nicht mehr, und er verhielt sich, als wäre nichts geschehen. Wie zwei Leute, die sich gerade beim Einkaufen getroffen hatten. Sie fühlte sich feucht und geschwollen und sehnte sich verzweifelt nach mehr als nur einem leichten Streicheln am Arm.
„Ich lerne eine Menge“, antwortete sie, entschlossen nicht preiszugeben, wie sehr er sie erregte. „Ich habe mich nie für Sport interessiert, und alles ist viel komplizierter als ich dachte.“
„Das trifft auf die meisten Dinge zu. Möchtest du nachher mit mir essen gehen? Oder willst du zurück nach Hause?“
„Du hast wohl überhaupt kein Problem damit, einfach dein Ziel zu verfolgen?“, fragte sie zurück, wobei sie leise sprach und darauf achtete, dass niemand sie hören konnte.
„Ich weiß, was ich will.“
Etwa sie? Nicole rutschte auf ihrem Stuhl herum und wünschte sich gleich darauf, sie hätte es nicht getan, als ihr Körper einmal mehr seine Bedürfnisse anmeldete …
„Hawk, ich …“ Was denn? Wollte sie etwa Ja sagen?
Blöde Frage. Natürlich wollte sie Ja sagen, aber es gab tausend Gründe, warum sie es nicht tun sollte. Momentan mochte es zwar eine Ablenkung sein, mit Hawk zu schlafen, aber sie hatte sich noch nie etwas aus lockerem, zwanglosem Sex gemacht. Dann war sie sich auch keineswegs sicher, ob es eine gute Idee wäre, auf Drews verletzende Bemerkungen damit zu reagieren, dass sie mit einem anderen Mann ins Bett hüpfte.
„Ich sollte gehen.“
Seine dunklen Augen sahen ihr direkt ins Gesicht. „Wie lange willst du noch vor mir davonlaufen?“
„Ich weiß nicht.“
„Sich einzugestehen, dass man ein Problem hat, ist der erste Schritt, es zu lösen.“
„Wie geistreich du doch bist.“
Sie stand auf. Er griff nach ihrer Hand und zog sie näher zu sich heran.
„Gib doch wenigstens zu, dass du in Versuchung bist.“
„Mehr als du ahnst.“
„Hallo?“, meldete sich Nicole am Telefon. Es war Montagnachmittag, sie war gerade von der Arbeit zurück und freute sich darauf, ein wenig auszuspannen.
„Nicole? Hier ist Martin Bashear.“
Ihr Rechtsanwalt. „Hi, Martin. Wie geht es Ihnen?“
„Gut. Es gibt ein paar Dinge, die ich mit Ihnen besprechen will.“
„Will ich wirklich wissen, was es ist?“
„Wohl eher nicht.“
Sie wappnete sich innerlich. „Okay. Was ist los?“
„In der Sache mit Jesse stehen wir vor einer Entscheidung. Wir müssen die strafrechtliche Verfolgung entweder vorantreiben oder es lassen.“
„Sie wissen doch, was ich will.“
„Das ist richtig, aber als Ihr Anwalt ist es meine Aufgabe, Sie zu beraten, und ich möchte Ihnen raten, die Anzeige zurückzunehmen.“
Sie nahm das Telefon fester in die Hand. „Jesse hat das Familienrezept gestohlen, ein weltberühmtes Rezept. Dann hat sie die Keyes Schokoladentorte gebacken und im Internet verkauft. Ich kann nicht zulassen, dass sie damit durchkommt.“
„Ich stimme mit Ihnen vollkommen darin überein, dass es ein verwerfliches Verhalten war.“
Damit brachte er Nicole fast schon wieder zum Lachen. Martin redete immer, als ob er ein Lineal verschluckt hätte. Normalerweise war sie in all ihren Beziehungen immer die Spießige, im Vergleich zu ihm aber konnte sie schon als Freigeist durchgehen.
„Sie hat gestohlen, Martin“, wiederholte sie und merkte, wie Empörung in ihr hochkam.
Jesse hatte es nicht gereicht, mit Drew zu vögeln. Nein. Sie musste auch noch losgehen und die hauseigene Schokoladentorte der Familie Keyes stehlen.
„Ich will, dass sie bestraft wird.“
„Und das ist Ihr gutes Recht. Aber, Nicole, bedenken Sie die Konsequenzen. Es wäre ein teurer und langwieriger Prozess. Familiendramen kommen bei Gericht nie besonders gut an. Jesse könnte die Sympathie der Jury gewinnen. Wir können natürlich alles tun, um sie als die Böse darzustellen, aber das gelingt nicht immer. Sie hat ihre Eltern verloren, als sie noch sehr jung war …“
„Das habe ich auch“,
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