Frisch verlobt
Heim gewesen sein musste. Wie konnte es nur sein, dass er so wenig über seinen besten Spieler wusste? Er hatte sich immer eingebildet, alles von seinen Jungs zu wissen. Und warum eigentlich hatte Raoul nicht ihn um Hilfe gebeten?
„Du wirst auch nicht in ein Heim gehen müssen“, beruhigte er den Jungen. „Irgendeine Lösung werden wir finden. Bis dahin kannst du bei mir wohnen.“
Nicole und Raoul starrten ihn verblüfft an.
„Keine gute Idee“, stellte Nicole fest.
„Coach, das ist wirklich prima, aber …“
Dann hatte Hawk begriffen. „Brittany“, murmelte er. Es war nicht unbedingt klug, ihren Freund unter demselben Dach wohnen zu lassen.
Er dachte an die anderen Eltern, die er kannte. Wer könnte bereit sein, Raoul aufzunehmen? Nach dem Gesetz war er erwachsen. Machte das die Situation nun leichter, oder war dadurch alles nur noch schwieriger geworden? Einerseits bestand zwar nun keine Notwendigkeit mehr, sich mit dem Jugendamt auseinanderzusetzen, aber andererseits war Raoul doch alles andere als eins dieser süßen, kleinen, knuddligen Kinder, um die man sich gerne kümmerte.
Nicole brummelte leise etwas vor sich hin und sagte dann: „Er kann bei mir wohnen.“
Hawk starrte sie an. Raoul schien verblüfft.
„Was ist?“, sagte sie an beide gewandt. „In meinem Haus ist ein Zimmer frei. Ich wohne im Schulbezirk. Er arbeitet eh schon bei mir. Jemand mit Verantwortungsbewusstsein sollte ein Auge auf ihn haben.“
Dann richtete sie sich an Raoul. „Wenn wir es machen, wird es ein paar Regeln geben. Keine Partys. Meine Zeitvorgaben werden eingehalten. Du wirst deine Hausaufgaben machen und den Unterricht besuchen. Du bist jetzt ein Erwachsener, also erwarte ich von dir, dass du dich auch so verhältst. Aber wie ein verantwortungsvoller Erwachsener. Nicht wie so ein Kniich, der kommt und geht, wie es ihm gefällt. Wenn dir das zu viel ist, musst du dir etwas anderes suchen.“
Hawk konnte es nicht fassen. Nicole nahm Raoul auf? Er verkniff sich ein Lächeln. Verdammt, sie war viel besser, als er anfangs gedacht hatte.
Raoul nickte bedächtig. „Ihre Regeln sind akzeptabel“, erklärte er Nicole. „Ich werde mich daran halten.“
„Das solltest du auch. Ich meine es ernst. In meinem Haushalt führe ich ein strenges Regiment. Du wirst dir wie ein Gefangener vorkommen. Das kann ich dir versprechen.“
„Wie ein Gefangener, alles klar“, versicherte Raoul, wobei es in seinen Mundwinkeln verdächtig zuckte.
Auch Hawk musste lächeln. Nicole zeigte sich gerne so streng, dabei war sie innerlich total warmherzig.
Das gefiel ihm. Es gefiel ihm sogar sehr.
Jesse blieb lange auf der Schwelle zu Matts Eigentumswohnung stehen. Sie starrte auf die Tür und erinnerte sich, wie sie zum ersten Mal zusammen mit ihm hierher gekommen war, als er eine eigene Wohnung suchte. Damals waren sie so glücklich gewesen. Total ineinander verliebt. Sie wusste, dass sie das alles zerstört hatte. Was sie aber nicht wusste, war, ob sie es wiedergutmachen konnte.
Ihr ganzer Körper schmerzte. Sie hatte davon gehört, dass eine Schwangerschaft wie ein Wunder wäre und dass sie eigentlich strahlen sollte. Stattdessen aber fühlte sie sich nur völlig zerschlagen, und ständig musste sie weinen. Wie war es nur möglich, dass ein Mensch so schnell alles verlieren konnte? Ihr war es jedenfalls gelungen.
Sie drückte auf die Klingel und wartete. Vor lauter Angst und Nervosität verkrampfte sich ihr Magen. Sie kämpfte gegen die Tränen an. Er musste ihr einfach glauben. Irgendwie musste sie ihn dazu bringen, dass er verstand.
Die Tür ging auf und vor ihr stand Matt. Jesse starrte ihn an, unendlich froh, ihn nach Wochen zum ersten Mal wiederzusehen.
Er sah gut aus. Groß und dünn, aber nach ihren regelmäßigen Besuchen im Fitnessstudio war er schon deutlich kräftiger geworden. Sie war diejenige gewesen, die ihn auf den Gedanken gebracht hatte, zu trainieren und Muskeln aufzubauen. Und dann war er mit ihr ins Bett gegangen und hatte sie für ihre guten Ideen belohnt. Darin war er sehr gut – im Belohnen. Und er hatte ihr gesagt, dass er sie liebte. In seinen Augen lag dann immer ein Leuchten und das, was sie sein ganz spezielles Lächeln nannte. Im Augenblick allerdings lächelte er gerade nicht.
„Ich habe dir nichts zu sagen“, meinte er nur und wollte die Tür schon wieder schließen.
Sie warf sich dagegen und schaffte es, sich hineinzuzwängen. „Wir müssen reden.“
„Mag sein, dass du reden musst,
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