Frisch verlobt
Ordnung.“
„Nein, ist es nicht.“ Mit jeder Sekunde kam sie sich dümmer vor. „Ich bin leicht reizbar und neige zu Überreaktionen.“ Und das hatte zum großen Teil sicherlich auch dazu beigetragen, dass mit Jesse so viel schiefgelaufen war.
„Ich mag es, wenn du dir Sorgen um mich machst, Nicole. Niemand sonst tut es.“
„Das darfst du nicht sagen.“
„Warum nicht? Es ist die Wahrheit.“
Und das war mehr als traurig. „Lieber wär’s mir, du gibst mir gar keinen Grund dafür, dass ich mir Sorgen machen muss. Könnte es dir nicht auch reichen, dass ich jederzeit dazu bereit bin?“
„Ja schon“, sagte er grinsend. „Das ginge auch. Gute Nacht.“
„Schlaf gut.“
Sowie er den Fuß auf die Treppe setzte, lief Sheila zu ihm und folgte ihm in sein Schlafzimmer. Nicole stellte den Film ab und schaltete das Licht aus.
Auch wenn sie es gehasst hatte, sich wegen Raoul so zu beunruhigen, es gefiel ihr, jemanden im Leben zu haben, um den sie sich kümmern konnte. Womit sie wieder bei Jesse war, aber an sie wollte sie heute Nacht nicht denken.
Familien sind ein einziges Fiasko, sagte sie sich. Warum nur war sie so wild darauf, selbst eine zu gründen?
11. KAPITEL
A m Sonntagmorgen erwachte Nicole sehr früh, weil sie Stimmen hörte. Als sie sich umdrehte und auf die Uhr sah, war es gerade erst sieben. Lauschend setzte sie sich auf und fragte sich, was wohl in Raoul gefahren sein mochte, dass er um diese Zeit den Fernseher anstellen und so laut aufdrehen konnte. Schließlich war er noch ein Teenager, da war Schlaf sehr kostbar.
Sie stand auf und warf sich den Morgenmantel über. Als sie im Begriff war, auf die Tür zuzugehen, wurden die Stimmen deutlicher und unterscheidbar. Es klang fast so, als ob …
„Oh nein“, stöhnte sie.
Sie rannte zur Tür und riss sie auf. Raoul stand oben am Treppenabsatz und versperrte den Zugang zum Flur. Den Mann, der versuchte an ihm vorbeizukommen, konnte Nicole nicht erkennen, aber sie hatte eine gute Vorstellung davon, wer es sein könnte. Sheila stand neben Raoul, sieben Kilo schwangere, knurrende Wut.
„Ich wusste, es war ein Fehler, dass ich die Schlösser nicht ausgetauscht habe“, sagte Nicole und stellte sich ans Geländer, von wo sie auf ihren zukünftigen Exmann hinuntersehen konnte. „Das hier ist nicht mehr dein Haus, Drew. Verschwinde.“
„Ich werde nicht gehen, ohne mit dir zu reden. Obwohl ich nun weiß, weshalb du mir aus dem Weg gegangen bist. Das also ist dein neuer Freund. Ein Kind? Etwas Besseres konntest du wohl nicht finden, Nicole?“
„Du kennst ihn?“, fragte Raoul.
„Wir waren verheiratet.“
„Wir sind noch verheiratet“, betonte Drew.
„Getrennt lebend, in Scheidung. Es ist vorbei.“
Raoul nickte und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Drew. „Sie werden gehen müssen.“
„Das glaube ich aber nicht.“ Drew sah Nicole an. „Macht es dir Spaß mit einem Kind? Zeigst du ihm, was du weißt?“
Die Attacke kam für sie völlig unerwartet, und sie merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Aber ehe ihr noch eine passende Erwiderung dazu einfallen konnte, hatte Raoul Drew schon gepackt, auf den Treppenabsatz hochgezogen und den Arm um seinen Hals gelegt. So hielt er ihn dann in Schach.
„Hat Ihre Mutter Ihnen keine Manieren beigebracht?“, knurrte er. „So werden Sie mit Nicole jedenfalls nicht mehr reden.“
Drew versuchte, auf seinen Angreifer einzudreschen, ruderte mit den Armen und japste nach Luft. „Nicole!“
„Sie verdient Respekt und Anerkennung“, fuhr Raoul fort. Dabei klang seine Stimme leise und gequält. „Das werden Sie noch lernen müssen.“
Obwohl Nicole das Schauspiel genoss, gefiel ihr nicht, wie aus Drews Gesicht alles Blut zu weichen schien. Das Letzte, was Raoul brauchen konnte, war eine Anzeige wegen Körperverletzung.
„Danke dafür, dass du mich beschützt hast“, wandte sie sich deshalb an ihn. „Aber du musst ihn jetzt loslassen. Ihr könnt beide in der Küche auf mich warten.“
„Muss ich das?“, fragte Raoul, und ihr war klar, dass er damit nicht das Treffen in der Küche meinte.
„Ja. Es ist kein fairer Kampf.“
Raoul wirkte enttäuscht, als er Drew freigab. Der stolperte nach vorne und schnappte nach Luft, wobei er sich am Geländer festhielt.
„Du Miststück“, fuhr er sie mit heiserer Stimme an.
„Wir werden also nicht reden, schätze ich mal.“
„Nein, warte.“ Er rieb sich mit beiden Händen einen Moment die Kehle. „Ich will mit dir
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