Fröhliche Zeiten
Schicksal hatte die Zeitwende im Pfarrhaus von Obing heil und trocken überstanden.
Elf Jahre sollte die gesamte Innenausstattung ausgelagert bleiben. Die Zeiten hatten sich normalisiert, Freunde taten sich zusammen, die Friedrich-Bauer-Stiftung spendete 6000,-D-Mark für den Versuch, die beschädigten Teile zu restaurieren. Und tatsächlich, in zweijähriger Arbeit gelang es den Werkstätten der Residenz, das Puzzle zusammenzusetzen, die Bemalung neu aufzubringen. Die Bauleitung, nun unter Otto Meitinger, dem Nachfolger des Schweizers, führte das Werk mit genialer Einfühlung zu Ende.
Man gelangt heute nicht mehr wie früher direkt von der Straße, sondern durch den Brunnenhof in das Theater. Der plätschernde Brunnen trennt gleich einer Schleuse Alltag und Erbauung — ein alter Wunsch der Freunde der Residenz war damit erfüllt, das Kleinod des Rokoko gerettet.
1958 wurde das neu eingepaßte Cuvilliés-Theater im alten Patinaglanz wiedereröffnet.
Selbsthilfe ist wieder im Kommen. Immer häufiger ergreifen Bürger die Intiaitve, damit etwas geschehe, was im Sinne des Allgemeinwohls geschehen müßte, von der Obrigkeit aber ignoriert wird oder nicht durchgesetzt werden kann.
Noch vor Ende des Krieges organisierte sich in der bayerischen Landeshauptstadt die erste Bürgerinitiative unserer jüngsten Geschichte. Zweihundert bis zweihundertfünfzig leidenschaftliche Münchner umfaßte sie, Einheimische wie Zugereiste, und trat unter dem Namen Freunde der Residenz am 16. Februar 1945 erstmals zusammen. Ihr Ziel: Kultur zu erhalten. Vor Kriegsende ein Ansinnen für Tagträumer. Sollte man meinen. Doch wer den Anfängen wehren will, muß bekanntlich früh anfangen.
Mit der Stunde Null hatte die Zerstörung durch Bomben ein Ende. Genauer besehen wurde sie nur abgelöst: Von der Zerstörung durch Behörden. Deren Eifer, den Schutt möglichst schnell wegzuschaffen, erwies sich als Bärendienst.
Manch noble Fassade, die stehengeblieben war, wurde vollends abgerissen, um Platz für einen öden Neubau zu schaffen. Andere gelang es zu retten — dank der Initiative von Bürgern. Die Freunde der Residenz schauten weit voraus. Mit noch zur Verfügung stehenden sogenannten Ostarbeitern beschlossen sie als erstes, den Grottenhof der Residenz auszuräumen, damit er »für nachher« bereit sei.
In einem vom Dach bis zum Keller aufgerissenen Haus sahen sie in einer hochgelegenen Etage einen Konzertflügel stehen und kauften ihn dem Besitzer ab. Der hatte gerade andere Sorgen. Das Instrument war für »künftige Konzerte« vorgesehen. Irgend jemand schenkte ihnen einen Projektionsapparat.
Bis zuletzt trotzten sie den Verheerungen mit kulturellen Unternehmungen. In Wohnungen, in einer Klinik veranstalteten sie Konzerte und Theaterabende.
Die große Zeit dieser Bürgerinitiative aber kam nach dem Zusammenbruch. Sie schwelgte in Plänen.
»Wenn wir — so sagten sich die Freunde — die Residenz zu einem kulturellen Zentrum machen, die Ruinen mit Veranstaltungen beleben und Zulauf finden, kann sie nicht abgerissen werden .«
Am 28. August 1945 veranstalteten die Freunde das erste Konzert im vorsorglich »für nachher« ausgeräumten Grottenhof. Es musizierten: Gerda Sommerschuh, Alexander Paulmüller, Friedrich von Hausegger, Hermann von Beckerath, Georg Schmid und Ludwig Jäger. Unter den Gästen befanden sich: Ministerpräsident Fritz Schaeffer, Kultusminister Dr. Hipp, Oberbürgermeister Karl Scharnagl.
Der Abend begann mit einer rührenden Ansprache:
Verehrte Gäste, liebe Freunde der Residenz! Musik im Grottenhof, in den Ruinen — viele werden sich gewundert haben. Doch sind es nicht allein die Not oder Mangel an Raum, die uns gerade hier spielen lassen. Mehr soll damit gesagt sein: Wir wollen die schwer getroffenen Denkmäler unserer Kultur nicht aufgeben. Denn diese Kultur sichert uns auch jetzt und nach diesem Zusammenbruch einen vollgültigen Platz in der Reihe der Völker. So bitten wir, diese und die kommenden Veranstaltungen zu werten. Sie sollen die Trümmer, von denen auch heute noch Schönheit und ein starker Zauber ausstrahlt , mit neuem Leben und Klang erfüllen.
Ein nobles Anliegen ohne devote Töne schlechten Gewissens, ein Hinweis auf das andere Deutschland, das es auch noch gab. Die Initiative allein genügte jedoch nicht mehr. In einem Staatswesen, das sich gerade zur Demokratie mausert, darf nur sein, was offiziell erlaubt ist. Der Freundeskreis benötigte für weitere Veranstaltungen eine
Weitere Kostenlose Bücher