Fröhliche Zeiten
Lizenz. Er mußte sich, um für seine Vorhaben Geld sammeln zu dürfen, als Verein konstituieren. Dies fand am 13. November 1945 statt. Um ihre Tatkraft und Wichtigkeit zu bekunden, formulierten die Freunde mit dem Besiegten anstehenden stolzen Ernst einen massiven, kulturstrotzenden Text:
Jahrhundertelang war die Münchner Residenz Mittelpunkt und Magnet aller kulturellen Kräfte des Landes. In dieser Tradition will sich nun ein Kreis künstlerischer und geistig interessierter Menschen zu einem Verein Freunde der Residenz zusammenschließen. Für ihn soll der ehemalige Herrschersitz der bayerischen Herzöge, Kurfürsten und Könige Sinnbild und lebendes Vermächtnis bilden.
Die Residenz soll keine Trümmerstätte bleiben, sondern für München und ganz Bayern wieder neues Leben für alle Ströme und Entwicklungen der Kultur hervorbringen. Als Brücke von einer großen Vergangenheit zu einer lebensfroheren Zukunft soll sie nicht nur musealer Besitz, sondern ständige Verpflichtung sein. So wollen wir nicht nur mithelfen an der Sicherung und Neugestaltung dieses großartigen Baudenkmals, sondern mit Veranstaltungen verschiedenartigsten Gepräges an die Öffentlichkeit treten. Konzerte, Vorträge, Schauspiele und Ausstellungen seien der Ausdruck des Wachseins im Geiste. Solches Wirken bilde den Nährboden für das kulturelle Schaffen der Gegenwart und ein Bekenntnis zu unserer Zeit.
Wer konnte da nein sagen? Die Kulturbombe mit dem ganzen Gewicht des Abendlands schlug ein, bei deutschen wie bei amerikanischen Dienststellen. Tino Walz, Museumsdirektor Hans Thoma und Friedrich von Hausegger standen dem Verein vor. Reinhard Riemerschmid, Gert Hornung und Alwin Seifert bildeten den Beirat. Nun konnten sie veranstalten. Zu Weihnachten im verschneiten Grottenhof einen Christkindlmarkt mit Krippe und Chor, weitere Konzerte, Lesungen, Vortragsabende und vor allem Geld sammeln für ihren kühnsten Plan: den Bau eines Theaters.
Eva Walz, die Frau des Architekten, sammelte in vierzehn Tagen die Rekordsumme von 100 000 Rentenmark. Fünf Monate später, zum Jahrestag der Kapitulation am 7. Mai, wurde das Theater im Brunnenhof der Residenz eröffnet. Es hatte alles in allem 80 000 R-Mark gekostet und wurde bis 1950 bespielt.
Die Unternehmungslust und unbekümmerte Einsatzfreude aller Beteiligten sprach der Ernährungslage Hohn. Ohne ihren Idealismus hätte jeder doppelte Schwerstarbeiterzulage bekommen müssen, um das zu leisten. Es war noch der Geist, der den Körper antrieb, nicht der Überfluß.
Ganz ungeschoren blieb die Bürgerinitiative allerdings nicht. Der Landtag, um einen geeigneten Versammlungsraum verlegen, nistete sich im Brunnenhoftheater ein. Gegen dieses parlamentarische Kuckucksei liefen die Freunde der Residenz Sturm.
Und sie siegten.
Die Abgeordneten mußten wieder ausziehen. Wegen unzulässiger Zweckentfremdung. Ein Parlament ist noch keine Kultur.
Das Theater mit der kleinen, knarzenden Bühne war ein Geschenk der Freunde an den Freistaat Bayern. Es hat, harten Zeiten und ebensolcher Bestuhlung zum Trotz, viel geistige Kraft und Optimismus vermittelt.
Erinnern wir uns: Bei der Eröffnung mit Nathan der Weise spielt Helmut Renar die Titelrolle, Willi Rösner den Sultan, Eva Vaitl die Recha, Rudolf Vogel den Derwisch und Curd Jürgens den Tempelherrn. Unvergessen Inge Langens Antigone, Anne Kerstens Phädra, Thornton Wilders Wir sind noch einmal davongekommen in der Regie von Paul Verhoeven mit Otto Wernicke und Heidemarie Hatheyer als Mr. and Mrs. Antrobus und Luise Ullrich als Sabina.
Gerhart Hauptmanns Und Pippa tanzt, Strindbergs Traumspiel, Hebbels Maria Magdalena standen ebenso auf dem Spielplan wie Die Dinosaurier sind draussen, Abel — mein Sohn, Nora, Das Feuer ist aus und Dona Rosita. Auch ich, hier sei’s gestanden, habe das Theater von oben erlebt. In einem Stück über das Leben Vincent van Goghs durfte ich unter der Regie von Arnulf Schröder sage und schreibe fünf Rollen spielen. 1950 gingen die Lichter aus. Die kleine Bühne mußte dem Neubau des alten Residenztheaters weichen, das zur 800-Jahrfeier der Stadt München fertigwerden sollte.
Für die Freunde kein Grund, ihre spendenwilligen Hände in den Schoß zu legen. Sie hatten noch ein Zweit-Schloß. Seit 1946 leitet Eva Walz die von allen ins Leben gerufenen Nymphenburger Sommerspiele — Musikfreunden jedes Jahr ein Ereignis von Rang, Stadt und Staat, ein Pfeiler im Kulturprogramm.
Unvergessen sind die Vorträge von Ernst
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