Froschkuss (German Edition)
genauen Daten bekommen alle noch per E-Mail.“
21. Kapitel
Bernd Blome ließ sich nicht lumpen. Er hatte sein Versprechen wahr gemacht und uns alle zu einem Workshop mit anschließendem gemeinsamen Essen und sogar Übernachtung eingeladen. Das Meeting sollte in einem supertollen Designhotel in Hamburg stattfinden. Ich war schon mächtig gespannt. Ich hatte mich entschieden, einmal mit dem Zug zu fahren, da mein alter Golf in letzter Zeit merkwürdige klappernde Geräusche von sich gab, ich aber noch keine Zeit gefunden hatte, den Wagen in die Werkstatt zu bringen. Als ich den Hauptbahnhof von Kiel betrat, war es noch sehr früh, gerade einmal acht Uhr. Mein Zug fuhr um 8:55 Uhr und würde um 10:14 Uhr am Hamburger Hauptbahnhof eintreffen. Das Meeting war zwar erst um 12:00 Uhr, aber ich wollte rechtzeitig einchecken und mich umziehen. Gehetzt blickende Männer und Frauen, die Trolleys hinter sich herzogen, kamen mir entgegen und vor dem Informationsstand versammelte sich gerade eine Gruppe von Rentnern in beigefarbenen Popelin Jacken, die einen Halbkreis bildeten und eine riesige Anzahl von Koffern, Tüten und Taschen in ihrer Mitte stapelten. Aus den Lautsprechern ertönte eine blechern klingende Durchsage: „Auf Gleis drei fährt ein der Regionalzug aus Husum. Vorsicht an der Bahnsteigkante!“ Ich ging zunächst zu den An- und Abfahrttafeln, um mich zu vergewissern, dass ich mir die richtige Abfahrtzeit aus dem Internet herausgesucht hatte. Im Reisecenter besorgte ich mir am Automaten eine Fahrkarte und dann stöberte ich bei k presse und buch nach einer geeigneten Reiselektüre. Ich entschied mich für die myself, da ich dieses Magazin schon längere Zeit nicht mehr gelesen hatte und mich das Thema: „Wie finden Sie den Richtigen?“ brennend interessierte. Da ich noch nicht gefrühstückt hatte, stellte ich mich beim Bäcker an. Vor mir erhielten gerade zwei junge topmodisch gekleidete, blondierte Frauen ihre Kaffee-to-go-Becher und trippelten dann in Richtung Bahnsteig. Beide trugen diese merkwürdigen engen Jeans mit weißen Flecken, die so aussahen, als ob jemand eine Flasche Klorix auf dem Stoff ausgeschüttet hätte, kurze braunschwarze Webpelzjäckchen und Keilabsatzschuhe aus Wildleder mit Fransen. Die waren wohl zusammen shoppen gewesen. Ich bestellte mir einen Latte und eine Laugenstange und schlenderte dann langsam zum Bahnsteig drei. Dort stand bereits die rote Regionalbahn zur Abfahrt bereit. Ich drückte auf den Knopf eines Nichtraucherabteils und wählte einen Platz am Fenster in Fahrtrichtung. Kurz nach mir betraten die zwei blonden Frauen vom Bäcker das Abteil und setzten sich genau hinter mich. Sofort ging das Getuschel und Gekicher los, und die beiden lasen sich gegenseitig ihre SMS vor. „Guck mal, Selina, ich hab ne SMS von Karim bekommen“, sagte die eine Blondine.
„Waaaas? Zeig mal her!“, antwortete ihre Freundin.
Karim! Bei diesem Namen stellten sich meine Ohren wie von selbst auf Empfang. So viele Karims konnte es in Kiel eigentlich nicht geben, schon gar nicht so viele, die SMS an junge Blondinen schickten.
„Er schreibt, dass er sich in mich verknallt hat!“ Blondine zwei kicherte. „Dabei haben wir uns doch erst gestern kennen gelernt. Ich meine, richtig kennen gelernt, hihi ...“ Nun flüsterte sie ihrer Freundin Selina alle Details der Nacht mit Karim ins Ohr. Leider konnte ich nichts verstehen, nur hin und wieder ein paar Worte wie „geiler Body“ und „superlustig“. Dann sagte die zweite Blondine etwas Ungeheuerliches: „Danach hat er seine Mutter angerufen und ihr gesagt, dass er die Frau seines Lebens kennen gelernt hat.“
„Was eeeecht“, zwitscherte Selina aufgeregt, „dann meint der das bestimmt eeeernst!“ Sie seufzte: „Ich beneeeeeide dich!“
Ich war sprachlos. Da zieht dieser Kerl doch tatsächlich bei irgendeiner Tussi, die er für eine Nacht aufgegabelt hat, die gleiche Nummer durch wie bei Karla. Ich war drauf und dran, meiner Freundin gleich eine SMS zu schicken, aber dann überlegte ich es mir doch anders. Ich musste ihr das alles brühwarm erzählen, wenn ich wieder in Kiel war. Wenn das kein Grund war, die Verlobung mit diesem armseligen Womanizer zu annullieren?
Die beiden Blondinen stiegen in Neumünster aus und ich sah, wie sie schnatternd den Bahnsteig in Richtung Ausgang verließen. Endlich konnte ich mich in Ruhe meiner Zeitschrift widmen. Pünktlich fuhr mein Zug in den Hauptbahnhof von Hamburg ein. Die Räder quietschten,
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