Froschkuss (German Edition)
tuschte mir die Wimpern und umrandete meine Augen mit grünem Kajal. Dann band ich meine Haare zusammen und setzte meine große Sonnenbrille auf. Zurück in meinem Zimmer warf ich einen letzten Blick in den bodenlangen Spiegel: Ein bisschen sah ich in meinem Drama-Schwarzen-Outfit aus wie Audrey Hepburn in „Frühstück bei Tiffany“. Auf meinem Weg raus aus dem Hotel begegnete ich zum Glück Lars nicht noch einmal. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen, dass ich mich nicht von ihm verabschiedet hatte, aber egal. Spätestens in der Redaktion würde ich ihn wiedersehen und bis dahin war ich hoffentlich in der Lage, meine Gefühle zu ordnen. Ich war froh, bis zum Bahnhof zu Fuß gehen zu können, denn die frische Luft tat mir gut. Die Sonne lugte hinter dunklen Wolken hervor, und ein frischer Wind blies mir entgegen. Es war nicht kalt, aber auch nicht gerade sommerlich warm. Allmählich konnte es wirklich einmal Sommer werden, schließlich war es schon Juli. Als ich endlich in meinem Zug zurück nach Kiel saß, lehnte ich mich zurück und schloss die Augen. Mist, wie würde das nun alles weitergehen? Lars hatte mich geküsst! Trotzdem fühlte ich mich mies und ich hatte auch keine Schmetterlinge im Bauch. Ich seufzte und trank einen Schluck aus meinem Kaffee-to-go-Becher, den ich mir vom Bahnhof mitgenommen hatte. Zwei Blondinen trippelten schnatternd an meinem Sitz vorbei und ich erinnerte mich an das Gespräch, das ich zufällig bei meiner Hinfahrt belauscht hatte. Karim, dieser Frauenaufreißer. Ich musste Karla unbedingt alles brühwarm erzählen, deshalb schickte ich ihr gleich eine SMS:
Muss unbedingt mit dir reden!
LG S.
Kurz bevor der Zug in den Hauptbahnhof von Kiel einfuhr, fiepte mein Handy.
Hab gleich Mittagspause. Holst du mich ab?
Kuss Karla
Na, das passte doch super, dachte ich und simste ihr zurück, dass ich in einer halben Stunde im Krankenhaus sei. Da ich zu faul war, den ganzen Weg dorthin zu Fuß zu gehen, nahm ich ein Taxi, das von einem schweigsamen Türken mit grauen Haaren gelenkt wurde. Als ich ihm den Fahrpreis plus fünf Euro Trinkgeld überreichte, lächelte er allerdings freundlich: „Schönen Tach noch!“ Beschwingt schulterte ich meine Reisetasche und marschierte zügig in Richtung Eingang, denn ich freute mich darauf, Karla zu sehen und sie vor dem größten Fehler ihres Lebens retten zu können. Sie kam mir auf dem Flur entgegen, schon ohne Kittel und mit einem roten Poncho, mit dem sie einfach nur klasse aussah. „Hi!“, begrüßte sie mich lächelnd und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ihre schwarzen glänzenden Haare rochen nach grünem Apfelshampoo. „Schön dich zu sehen! Wie war es denn in Hamburg?“ Während wir runter in die Stadt spazierten, hakte ich mich bei ihr unter und berichtete ihr von meinen Erlebnissen. Wir holten uns ein belegtes Brötchen beim Bäcker am Alten Markt, setzten uns auf eine freie Bank und hielten unsere Gesichter in die Sonne. „Ihr habt euch also geküsst!“, sagte sie und biss in ihr Brötchen.
„Küssen kann man das eigentlich nicht wirklich nennen“, erwiderte ich kauend, „unsere Lippen haben sich berührt, aber das war auch schon alles.“
„Trotzdem“, widersprach meine Freundin, „der hat sich in dich verliebt. Ist doch toll!“ Sie schaute mich stirnrunzelnd an: „Ich meine, darauf hast du doch die ganze Zeit gewartet, oder?“
Ich seufzte: „Schon. Aber irgendwie habe ich mir das mit ihm anders vorgestellt.“
„Die Vorstellung von etwas und die Wirklichkeit sind eben selten identisch“, philosophierte meine Freundin. Sie strich sich ein paar Brötchenkrümel von ihrem Poncho. „Sei doch froh, dass deine Wünsche und Träume endlich Wirklichkeit werden und denke nicht so viel über alles nach.“
„Gefühle können aber auch täuschen“, widersprach ich energisch, „mir ist es wichtig, alles genau abzuwägen. Ich kann mich nicht einfach fallen lassen, koste es, was es wolle.“
Karla lächelte mich an. „Sonia, steh’ dir doch nicht immer selbst im Weg. Sei doch mal locker. Warum bist du nicht einfach mit Lars auf sein Zimmer gegangen? Was hätte dir schon passieren können? No risk, no fun!“
„Ich will aber nicht nur Sex“, sagte ich trotzig und schob meine Unterlippe nach vorne.
Karla zerknüllte das Papier, in das ihr Brötchen eingewickelt gewesen war. Ich schwieg einen Moment, denn das Gespräch der beiden Frauen im Zug kam mir erneut in die Sinn. „Apropos Sex“, fuhr ich fort
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