Froschkuss (German Edition)
Bratkartoffeln mit Sauerfleisch oder Gulasch.
Ich setzte mich und meine Mutter schenkte mir Kaffee ein. „Wo ist Papa denn?“, fragte ich vorsichtig.
Sie stellte die Thermoskanne wieder ab und schnitt den Kuchen an. „Auf seinem Segelboot, wo denn sonst?“ Ihre Stimme klang vorwurfsvoll und sie kräuselte die Stirn, sodass sich eine steile Zornesfalte zwischen ihren Augen bildete.
„Was ist denn passiert?“
Mein Mutter seufzte: „Ich hab’ einfach keine Lust mehr, nach der Pfeife deines Vaters zu tanzen“, erwiderte sie und platzierte ein großes Stück Apfelkuchen auf meinem Teller. Sie selbst gönnte sich nur eine fingerbreite Scheibe.
„Wie meinst du denn das?“
Sie reichte mir die Schüssel mit der Sahne. „Immer dreht sich nur alles um seine Interessen. Immer muss ich mit zum Segeln kommen, aber wenn ich einmal auf einen Gartenmarkt will, stellt er sich quer.“
„Aber das ist doch kein Scheidungsgrund! Ich dachte schon ...“
„Dass dein Vater fremdgeht?“, unterbrach mich meine Mutter.
„So etwas in der Art, ja!“
Meine Mutter schob den Teller mit der unberührten Kuchenscheibe zur Seite: „Ich kenne keine Frau, die es mit ihm aushalten würde.“ Sie seufzte. „Außer mir, aber damit ist jetzt Schluss!“
„Aber ihr seid doch nun schon so lange zusammen“, sagte ich und löffelte mir noch etwas Sahne auf den Kuchen, „da muss man sich doch wieder zusammenraufen.“
„Dazu habe ich aber keine Lust mehr“, erwiderte meine Mutter energisch, „ich will jetzt auch einmal tun, was ich will.“ Für sie war die Liste der Verfehlungen meines Vaters lang: Er interessiere sich im Grunde überhaupt nicht für sie, wolle immer nur lesen, segeln und sich mit seinen Kumpels treffen, außerdem sei er der unordentlichste Mensch, den sie kenne. „Überall lässt er seine Sachen liegen“, stöhnte meine Mutter, „Socken, Zeitungen, sein Segelzeug, seine Bohrmaschine, einfach alles!“ Sie raufte sich verzweifelt die Haare. „Und wenn ich mal etwas sage, bekomme ich nur eine doofe Antwort.“ Meine Mutter redete und redete und ich hatte das Gefühl, dass sie froh war, ihren Frust einfach einmal loszuwerden. „Außerdem stellt er den Fernseher immer viel zu laut, als ob er schwerhörig wäre, und gemeldet hat er sich seit gestern auch nicht mehr“, sagte sie schließlich bedrückt.
„Ich kann ja mal mit ihm reden“, schlug ich vor.
Meine Mutter begann, den Tisch abzuräumen. „Von mir aus! Aber mein Entschluss steht fest.“
Ich ging in mein Zimmer, um mir eine Strickjacke aus meiner Reisetasche zu holen. Zuvor nahm ich aber die Holzkiste, die mir meine Mutter gebracht hatte, und stellte sie auf meinen Schreibtisch. Der Drehstuhl war zu hoch gestellt, deshalb betätigte ich den Hebel an der Seite, bis sich die Sitzfläche mit einem puffenden Geräusch nach unten bewegte. Ich fand ein paar alte Kinderbücher von mir (Biene Maja und Lotte zieht aus von Astrid Lindgren, eins meiner Lieblingskinderbücher), ein paar Zeichnungen aus der Grundschule und mein altes Tagebuch, das mit einem Stoff bezogen war, auf dem Blumen bedruckt waren. Es stammte aus der Zeit, als ich mit Tobias zusammengewesen war, meine erste große Liebe. „Gestern waren wir am Strand spazieren gewesen und haben Händchen gehalten. Es war sooooo romantisch!“, las ich und wunderte mich über meine krakelige Schrift, die ich damals gehabt hatte. Tobias! Ich erinnerte mich an seine braunen Augen und die fast schulterlangen lockigen Haare, der Grund warum ich mich auf den ersten Blick in ihn verliebt hatte. Ist der süß!, hatte ich gedacht, das wusste ich noch ganz genau. Außerdem war er älter als ich gewesen und er spielte in einer Band, was mich sehr beindruckt hatte. Wir hatten uns in der Pumpe kennen gelernt, eine Freundin von mir hatte uns bekannt gemacht. Damals war alles so leicht und unbeschwert gewesen! Ich klappte das Tagebuch zu und legte es zurück in die Holzkiste. Ich war nicht der Mensch, der ständig in der Vergangenheit lebte, für mich war die Gegenwart entscheidend. Ich verabschiedete mich bei meiner Mutter, die auf einer Leiter stehend den Kleiderschrank im Schlafzimmer entstaubte. Dann schnappte ich mir aus dem Gartenschuppen mein altes Fahrrad und radelte nach Strande, wo das Segelboot meiner Eltern war, um meinen Vater zu besuchen. Leider hatte ich Gegenwind und musste ordentlich in die Pedale treten. Obwohl es kühl war, stieg mir die Hitze in den Kopf. Allmählich sehnte ich mich danach,
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