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Frostengel

Frostengel

Titel: Frostengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamina Berger
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Armen aufstellen. »Ja?«
    Es folgte Stille. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, doch endlich was zu sagen. Dann schaltete ich und ich konnte vor Aufregung kaum schlucken. »Ist Julia … hat man sie gefunden?«, brachte ich hervor.
    Wieder sagte er nichts.
    Irgendetwas muss passiert sein. Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag in die Magengrube, noch bevor mich seine Worte erreichten.
    »Man hat Julia gefunden, Theresa, sie ist tot.« Ich wollte mir die Ohren zuhalten, doch als gehörten sie nicht zu mir, hielten meine Finger das Handy weiterhin fest umklammert. Julias Vater sprach weiter, erklärte mir etwas von Unfall und Kopfverletzung, doch nichts davon drang richtig zu mir durch. Mein Gehirn weigerte sich, den Sinn zu erfassen. Vielleicht wäre dann alles nicht wahr. Die Stimme von Julias Vater drang wie durch Watte an meine Ohren oder als wäre Wasser hineingekommen, wie im Schwimmbad nach dem Tauchen.
    Ich saß immer noch mit dem Hörer in der Hand auf meinem Bett, als mich die Türklingel aus meiner Erstarrung holte. Langsam stand ich auf. Meine Muskeln schmerzten schlimmer als bei jedem Muskelkater. Ich schleppte mich zur Tür. Ohne durch den Spion zu gucken, machte ich auf.
    »Herr Mechat, was machen Sie denn hier?« Ich wunderte mich, weil mir meine eigene Stimme so fremd vorkam. »Sie waren doch eben noch am Telefon.«
    Er nahm mich bei der Schulter und führte mich ins Wohnzimmer. Dort drückte er mich sanft auf die Couch und hockte sich vor mir auf den Boden.
    »Theresa, es ist schon eine halbe Stunde her, dass ich dich angerufen habe.«
    Ich sah ihn verwirrt an.
    Da bemerkte ich die Arzttasche am Boden. Er öffnete sie und holte eine Stablampe heraus. Mit der leuchtete er mir in die Augen. Danach hörte er mich ab, maß meinen Blutdruck.
    Ich ließ alles über mich ergehen, ohne eine einzige Frage zu stellen. Auf Fragen folgen Antworten – und ich wollte keine Antworten hören. Nichtwissen ist gnädig.
    Als ich das nächste Mal bewusst die Umgebung um mich herum wahrnahm, saß ich bei den Mechats in der Küche, einen Teller dampfender Suppe vor mir.
    Ich wollte eben ansetzen, um mich bei Julias Mutter zu bedanken und sie zu fragen, warum ich hier bei ihr in der Küche saß, als ich ihren Gesichtsausdruck bemerkte. Und da fiel mir alles wieder ein: der Anruf von Herrn Mechat, die Nachricht, dass Julia tot war. Julia, tot? Tot?
    Ich spürte, wie Tränen über meine Wangen rollten. Ich sah sie in die Suppe tropfen. Fühlte, wie Frau Mechat ihre Hand auf meine legte, hörte Herrn Mechats verhaltenen Schluchzer. Es kam mir vor, als würde ich alles wie in einem Film sehen, der irgendwo gedämpft im Hintergrund spielte.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Julias Vater war trotz der Trauer um seine Tochter zu mir gekommen, hatte sich um mich gekümmert, hatte mich hergebracht.
    Frau Mechat streichelte meine Hand und ich fragte mich, ob sie das bei Julia auch immer gemacht hatte. Sie wirkte gefasst. Nur ihre Augen zeigten die Qual, die sie durchlitt.
    »Ich …«, begann ich und stockte.
    »Du warst durcheinander. Ich konnte dich nicht alleine lassen«, sagte Herr Mechat bestimmt. Ich brachte gerade noch ein Danke heraus, dann wurde ich von einem Weinkrampf geschüttelt und ich glaubte, ich würde nie wieder mit dem Weinen aufhören können.
    Irgendwann flossen keine Tränen mehr. Ich fühlte mich innerlich wund. Verletzt, als hätte man mir bei lebendigem Leib etwas rausgeschnitten. »Es tut so weh«, murmelte ich.
    »Ja, ich weiß«, sagte Frau Mechat zu mir. »Ich weiß.«
    Eine Weile saßen wir stumm um den Küchentisch. Die Suppe war längst kalt geworden. Fettaugen schwammen auf der Brühe. Von ihrem Anblick wurde mir übel. Ich schob den Teller weg.
    Herr Mechat begann leise zu erzählen: »Die Sahlers gingen mit dem Hund spazieren und fanden Julia am Ortsende unter der Brücke. Es heißt, sie sei gestürzt und habe sich dabei eine tödliche Kopfverletzung zugezogen.« Er verbarg das Gesicht in seinen Händen.
    Ich wollte das alles nicht wissen. Doch ich hörte weiter zu. War das nicht das Mindeste, was ich tun konnte?
    Einzelne Worte hinterließen einen Widerhaken in meinem Bewusstsein, setzten sich fest. Unter der Brücke. Gestürzt. Und wenn sie gesprungen war?
    Hatte ich meine Befürchtungen laut ausgesprochen oder hatte Julias Mutter meine Gedanken erraten? Denn Frau Mechat schüttelte den Kopf. »Nein. Niemals. Nicht Julia!«, sagte sie.
    »Aber was hatte sie denn sonst dort

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