Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)
auf den Stein.
Der Schnitter wollte mich wegtreten, aber ich grub die Fingernägel in seine Knöchel, bis sie bluteten, und klammerte mich fest. Ich wusste, wenn ich losließ, wenn es ihm gelang, sich von mir zu lösen, wäre meine Verbindung mit ihm unterbrochen. Ich wäre nicht mehr fähig, ihn – oder seine Magie – zu berühren, und dann würde ich sterben. Die ganze Zeit zog und zerrte und riss ich weiter an seiner Energie, sog sie in meinen Körper, stellte mir vor, wie sie die Stichwunde in meinem Herzen füllte und das Gewebe dort wieder an die Stellen zog, an die es gehörte, genauso wie Daphne Carson im Kolosseum geheilt hatte.
Preston fing an zu schreien, aber ich bemühte mich, das Geräusch auszublenden. Meine ganze Welt bestand nur noch daraus, mich an dem Schnitter festzuklammern und seine Magie zu benutzen, um mich selbst zu heilen.
Ich wusste nicht, wie viele Minuten vergingen, bevor mir auffiel, dass Preston sich nicht bewegte, dass der Schnitter nicht mehr gegen mich kämpfte, dass er nicht mehr schrie.
Und dass meine Brust nicht mehr schmerzte.
Ich runzelte die Stirn und fragte mich, was nicht stimmte, fragte mich, warum die Energie des Schnitters nicht mehr in mich floss. Es war schwierig, aber langsam löste ich meine blutigen Fingernägel von seinen Knöcheln. Dann drehte ich mich auf den Rücken, öffnete den Reißverschluss an meiner Kapuzenjacke und zog das T -Shirt darunter nach oben. Meine Brust war mit Blut überzogen, als hätte ich mich für ein Football-Spiel angemalt, aber die Stichwunde war verheilt. Zurück blieb nur eine dünne weiße Linie quer über meinem Herzen.
Irgendwie hatte ich es geschafft – ich hatte meine Berührungsmagie eingesetzt, um mich selbst zu heilen.
Ich zog das T -Shirt wieder nach unten, drehte mich auf den Bauch und kroch zu Preston. Ich mochte die Dolchwunde ja geheilt haben, aber ich war immer noch schwach, und ich musste regelmäßig anhalten, um nach Luft zu schnappen. Doch schließlich konnte ich das Gesicht des Schnitters sehen.
Prestons leere blaue Augen starrten in den Himmel, sein Mund zu einem stummen Schrei verzogen.
Er war tot. Schließlich verstand ich, was geschehen war. Ich hatte den Schnitter umgebracht. Ich hatte Preston mit meiner Gypsygabe getötet, hatte meine psychometrische Magie eingesetzt, um ihm das Leben aus dem Leib zu saugen.
Ich sackte auf dem schwarzen Marmor zusammen und bemühte mich, nicht über diese schreckliche Tat zu weinen. Ich hatte gerade einen Mord begangen.
Ich weiß nicht, wie lange ich noch dort gelegen hätte, wenn nicht ein leises Winseln erklungen wäre, das meinen Hass, meine Angst und meine Abscheu vor mir selbst durchdrang. Ich sah auf und entdeckte, dass Nott mich mit kaum geöffneten Augen ansah.
»Nott!«
Ich kroch schnell zu der Fenriswölfin. Irgendwie zwang ich mich dazu, mich aufzusetzen und ihren riesigen Kopf in meinen Schoß zu ziehen. Sie leckte mir schwach die Finger, und ich fühlte den Schmerz, der durch ihren Körper raste. Er war sogar noch schlimmer als der, den ich empfunden hatte, so heftig, dass ich nicht wusste, woher sie die Kraft nahm, weiter zu atmen, weiter zu kämpfen. Ihre rostroten Augen waren jetzt fast vollkommen dunkel und mit einem dünnen, grauen Film überzogen.
»Mach dir keine Sorgen«, flüsterte ich. »Ich werde dich heilen.«
Ich griff nach meiner Magie, doch diesmal drückte ich sie nach außen und versuchte Nott auf dieselbe Art zu heilen, wie ich Prestons Energie eingesetzt hatte, um mich selbst zu retten.
Es funktionierte nicht.
Sie war schon zu schwach, und ich hatte nicht genug Magie. Jedes bisschen, das ich in sie leitete, wurde sofort aufgesaugt, und ich spürte, dass es keinerlei Unterschied machte. Ich war vollkommen erschöpft. Ich hatte kaum genügend Kraft gehabt, um mich selbst zu retten, und Preston war bereits tot. In diesem Moment wünschte ich mir, der Schnitter wäre noch am Leben. Ich hätte ihn hier rüber geschleppt und nur zu gerne noch einmal mit meiner Magie ermordet, wenn das Nott gerettet hätte.
Die Wölfin leckte mir wieder die Finger, als versuchte sie mir zu sagen, dass es okay war, dass sie wusste, ich hatte mein Bestes getan.
»Nott?«, flüsterte ich. »Nott!«
Die Wölfin senkte den Kopf, schloss die Augen und gab ein Geräusch von sich, das wie ein glückliches Seufzen klang. Und dann lag sie still – für immer.
Ich vergrub das Gesicht in ihrem Nackenfell und weinte.
Sie fanden mich bei Sonnenaufgang, gerade
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