Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)
vorbei.
»Vergiss sie!«, schrie Preston von seinem Tisch. »Lös diese Ketten! Schnell! Bevor Metis zurückkommt!«
Das Schnittermädchen sprang über mich hinweg und rannte zu dem Tisch. Sie trug dieselbe schwarze Robe und dieselbe Gummimaske wie beim Angriff auf das Kolosseum. Ich hatte keine Ahnung, wo sie ihn herhatte, aber das Schnittermädchen zog einen Schlüssel aus den Falten der Robe und machte sich an den Schlössern von Prestons Ketten zu schaffen. Eine Sekunde später öffnete sich das erste – und ich wusste, dass ich in echten Schwierigkeiten steckte.
Ich kämpfte mich auf die Beine und schwankte zu Ravens Schreibtisch. Das Schnittermädchen sah, was ich vorhatte, und rannte wieder zu mir. Sie erreichte mich genau in dem Moment, in dem ich Vic aus meiner Tasche zog und die Klinge aus ihrer Lederscheide riss. Ich nahm Vic immer mit, wenn ich ins Gefängnis ging, da ich mich dann ein wenig sicherer fühlte. Die Schnitterin reagierte, indem sie ihr eigenes Schwert unter der wallenden Robe hervorzog.
»Lucretia!«, zischte Vic beim Anblick der anderen Klinge.
Lucretias blutrotes Auge verengte sich hasserfüllt. »Vic!«, knurrte sie zurück.
Mehr konnten sie nicht sagen, bevor der Kampf entbrannte.
Zisch-zisch-klirr.
Mein Schwert traf auf das des Schnittermädchens. Rote und purpurne Funken flogen, wann immer die Waffen einander Beleidigungen zuschrien.
»Buttermesser!«, krähte Lucretia.
»Rostiger Löffel!«, blaffte Vic.
Ich ignorierte das Geplapper der Schwerter und konzentrierte mich auf das Schnittermädchen, versuchte vorherzusehen, was sie als Nächstes tun würde, wie sie mich angreifen wollte. Hinter mir rasselte Metall, als Preston eines nach dem anderen die Schlösser seiner Ketten öffnete – und dann war er frei.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er sich mir zuwandte, die Hände zu Fäusten geballt und einen mörderischen Ausdruck auf dem gut aussehenden Gesicht. Seine Augen glühten jetzt heller – in diesem unheimlichen, gruseligen Schnitterrot.
Ich startete einen Angriff, zwang das Schnittermädchen kurzzeitig zum Rückzug und drehte mich dann, bis ich mit dem Rücken zu einer der Glaszellen stand. Ich würde keine Minute durchhalten, wenn ich zuließ, dass das Schnittermädchen und Preston mich von zwei Seiten angriffen. Logan hatte mir das beigebracht. Mein Herz zog sich zusammen. Logan. Ich wünschte mir inständig, er wäre hier. Der Spartaner hätte gewusst, was zu tun war – er hätte genau gewusst, wie man die Schnitter besiegen konnte. Ich hatte schon Glück, wenn ich eine weitere Minute überlebte.
Doch statt sich auf mich zu werfen, wie ich erwartet hatte, hielt Preston an und starrte nur böse.
»Los!«, schrie das Schnittermädchen Preston zu. »Los! Los! Los!«
Preston schenkte mir ein grausames Lächeln, dann rannte er aus dem Gefängnis. Ich wollte ihm folgen, aber das Schnittermädchen stellte sich mir in den Weg und hob wieder das Schwert.
Zisch-zisch-klirr!
Gute zwei Minuten tanzten wir kämpfend durch den Raum, bevor meine Turnschuhe für einen Moment den Halt auf dem glatten Steinboden verloren. Das Schnittermädchen nutzte die kurze Ablenkung, um mir wieder mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Die Kraft ihres Schlages warf mich gegen eine der Zellen. Mein Kopf knallte gegen das Glas, und Schmerz explodierte in meinem Schädel. Benommen rutschte ich zu Boden und schaffte es kaum, Vic festzuhalten.
»Gwen!«, schrie er. »Steh auf, Gwen! Steh auf, bevor sie dich umbringt!«
Doch dafür war ich zu benommen – ich war für alles zu benommen. Das Schnittermädchen stand mit dem Schwert in der Hand vor mir. Sie musste es nur heben, fallen lassen und schon wäre ich tot.
So einfach.
Sie stand zögernd vor mir, als wäre das genau das, was sie sich wünschte. Doch statt mich endgültig fertigzumachen, drehte sich das Schnittermädchen um und rannte durch die offene Gefängnistür davon.
Ich kämpfte mich auf die Beine und packte Vic fester. Dann schob ich den pulsierenden Schmerz in Kopf, Gesicht und Rippen beiseite, um den Schnittern durch die Gefängnistür zu folgen – doch sie waren bereits verschwunden.
Ich eilte ans Ende des Flurs, rannte die Stufen hinauf und durch all die offenen Türen. Ich rannte höher, höher, höher, so schnell ich konnte, aber ihr Vorsprung war bereits zu groß. Ich hörte nicht einmal mehr ihre Schritte auf den Stufen über mir.
»Mach schon, Gwen!«, schrie Vic mir aufmunternd zu. »Du kannst sie
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