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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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gegeben?
    Eine kompakte Gestalt mit flacher Mütze und dickem Schal winkte ihr von der Church Street aus zu und kam dann zu ihr. «Kalt heute, Frau Pfarrer.»
    «Das stimmt.»
    Er stellte sich neben sie, als wären sie zwei alte Frontkameraden. Wie üblich klemmte eine unangezündete Zigarette zwischen seinen Lippen. War er gestern in der Kirche gewesen? Merrily wusste es nicht. Sie war nur merkwürdig froh darüber, dass Gomer Parry noch mit ihr sprach.
    «Ham sie noch nich gefunden, Frau Pfarrer.»
    «Wie bitte?»
    Gomer deutete mit seiner Zigarette in Richtung der Hofstallungen, wo
Cassidy’s Country Kitchen
lag. «Kann überall sein, flatterhaft, wie sie is.»
    Merrily sah von Gomer zu dem Polizeiauto und wieder zurück. «Colette Cassidy?»
    «Ham Sie’s nich gehört? Is weg, das is sie.»
    «Meine Güte. Seit der Party? Jane hat nichts davon erzählt.»
    «Tja», sagte Gomer, «kann ja sein, dass sie weg is, bevor klar war, dass das Mädchen verschwunden war. Scheint so, als hätt dieser Satansbraten ein paar Jungs reingelassen, die nich so gern gesehen warn, und das hat mit dem Armeetyp im Restaurant nich so gut funktioniert, also ham se sich gestritten, und dann is sie raus, und alle sin auf dem Marktplatz rumgehopst und ham einen Riesenradau veranstaltet, die halbe Mannschaft zugedröhnt bis Oberkante Unterlippe, und dann sin die Offiziellen angerollt, un die ganze Truppe is abgehaun wie der Teufel vorm Weihwasser, un   …»
    «Merrily!»
    Hektisches Absatzgeklapper ertönte, und Caroline Cassidy tauchte am Durchgang zu den Stallungen auf. Caroline, wie sie Merrily – und vermutlich ganz Ledwardine – noch nie gesehen hatte. Mit tränenden und rot verschwollenen Augen, die aussahen wie die kleinen roten Glühbirnen in einer Halloween-Maske.
    Gomer Parry machte sich eilig aus dem Staub.
    «Oh Merrily, ich wollte gerade die Polizei zu Ihnen schicken. Wo ist Jane? Ist Jane nach Hause gekommen?»
    «Jane liegt noch im Bett, hoffe ich wenigstens. Caroline, ich habe es gerade erst gehört.»
    «Wir hätten es niemals erlauben dürfen, aber Terrence meinte, was soll in Ledwardine schon passieren? Ich bin außer mir. Merrily, ich muss immer an dieses Mädchen denken, das verschwunden ist!»
    «Ich bin sicher, dass Sie sich solche Sorgen nicht machen müssen. Vermutlich ist sie mit ein paar Freunden nach Hereford in eine Disko gefahren und traut sich jetzt nicht nach Hause. Colette ist sehr   … erwachsen für ihr Alter.»
    «Sie ist ein
Kind
.» Carolines Mund verzog sich vor Angst. «Sie kennen sie nicht. Jeder hält sie für unheimlich frühreif, aber das ist alles nur Theater.»
    «Tut mir leid», Merrily legte ihr einen Arm um die Schulter, «aber es waren so viele andere dabei, was soll ihr da schon Schlimmes zugestoßen sein, mmh? Was ist denn genau passiert?»
    Caroline schniefte. «Kommen Sie doch mit rein   … trinken wir einen Kaffee zusammen?»
    Merrily dachte an Jane. Sie war doch noch im Pfarrhaus, oder? Und sie dachte an Lol Robinson, den sie für die Nacht aufgenommen hatte. Es war ihr Job, Leuten in schwierigen Situationen beizustehen.
    «Ja.»
     
    Als Lol im Salon aufwachte, war das Kaminfeuer erloschen, und Ethel beäugte ihn vom Sofa aus. Er wusste sofort, wo er war. Widersprüchliche Gefühle überfielen ihn und machten ihm ein bisschen Angst, genau wie die begeisterten Fans damals nach einem Auftritt.
    Das Pfarrhaus. Es gehörte der Kirche. Seiner alten Feindin. Das riesige feuchte Haus war vollkommen seelenlos. Wirkten eigentlich alle Gebäude der Kirche kalt, abweisend und seelenlos?
    Ethel schmiegte sich schnurrend an ihn. Katzen konnten die Vergangenheit vergessen, ganz gleich, wie schrecklich sie gewesen war. Er streichelte sie und dachte über Merrily Watkins nach. Sie war so ganz untypisch für die Kirche. Ein seltsames Gefühl der Leichtigkeit überkam Lol. In einer einzigen Nacht hatte er alles verloren. Seine letzte Hoffnung darauf, dass Alison zu ihm zurückkommen würde, und dann auch noch sein Haus. Er genoss dieses kurzlebige Gefühl beinahe, denn er wusste, dass er sich der Welt wieder stellen musste, sobald er sich aus diesem Schlafsack geschält hatte.
    Niemals wirst du wahrhaftig Freude an der Welt finden, solange du nicht die Meere selbst durch deine Adern fließen lässt, dich nicht in die Wolken des Himmels kleidest und dich mit Sternen bekränzt.
    Irre.
    Er ließ gerade Wasser in den Teekessel laufen, als Jane auftauchte. Unter ihren dunklen Augen lagen tiefe

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