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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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dreihundert Jahre für eine Familie wie Ihre keine sehr lange Zeit sind.»
    «Ich habe ihm gesagt», James schob kurz die Unterlippe vor, «Cassidy, hab ich gesagt, Sie wohnen hier seit ungefähr
zwei Minuten
. Während der letzten dreihundert Jahre hat Ihre Familie – falls sie überhaupt irgendeine Spur hinterlassen hat – vermutlich in zwölf unterschiedlichen Häusern in Gott weiß wie vielen Städten gewohnt. Ganz gleich, vor wie vielen Generationen sich etwas ereignet hat, das hier ist
meine Familie
. In
meinem Dorf
. Wie sollteich mich mit einem lächerlichen
Schauspiel
», er spuckte das Wort geradezu aus, «einverstanden erklären, das meine Vorfahren in den Dreck zieht? Ja, der Richter hier am Ort war Thomas Bull. Ja, er gehörte zu den Leuten, die Wil Williams zur Rede stellen wollten. Ja, er war dabei, als die Leiche gefunden wurde.
Ja
, er war überzeugt, dass Williams mit dem Teufel im Bund war und dass er dafür sterben sollte. Er war ein Mann seiner Zeit. Homosexualität hatte damit nichts zu tun, und ich will nicht, dass sein Andenken von einer verdammten Schwuchtel und ein paar Pseudointellektuellen, die in Cassidys grauenvollem Restaurant Londoner Preise für Nobelfutter zahlen, im Namen der sogenannten
Kunst
beschmutzt wird.»
    Er stellte sich dicht vor Merrily hin. Sie spürte den warmen Herd im Rücken, rührte sich aber nicht.
    «Hab letzten Winter bei dieser Wassailing-Katastrophe mitgemacht, weil es darum ging, eine Tradition wiederaufleben zu lassen. Mir ist klar, dass es immer Veränderungen gibt. Auch wenn es mir nicht gefällt. Ihre Anwesenheit hier ist ein Beispiel dafür.»
    «Sie sind natürlich gegen die Ordination von Frauen.»
    James trat einen kleinen Schritt zurück. «Manche Leute behaupten ja, es würde die Kirche stärken. Da habe ich so meine Zweifel, aber ich kann ohnehin nichts mehr daran ändern. Sie sind hier, und wenigstens scheinen Sie ja einigermaßen vernünftig zu sein und ein bisschen Verstand im Kopf zu haben.»
    «Danke sehr», sagte Merrily scharf.
    «Trotzdem müssen Sie meine Haltung verstehen, Mrs.   Watkins. Meine Familie hat hier eine Rolle zu spielen. Und diese Rolle bedeutet, ganz gleich, was man selbst denkt, sich gegen Veränderungen zu wehren. Das ist unsere Aufgabe. Wir verteidigen die Tradition. Und deshalb war ich gegen Ihre Berufung, daraus mache ich kein Geheimnis. Tja, diese Schlacht ist verloren. Sagen wir mal so: Im Allgemeinen können Sie auf meine Unterstützung zählen.»
    Merrily sagte nichts.
    «Und zwar», fuhr er fort, «solange Sie die Interessen dieses Dorfes wahren. Das erfordert allerdings einige Sensibilität.»
    «Ich verstehe. Und wenn», Merrily stieß sich von dem Aga ab, «wir einmal nicht der gleichen Auffassung darüber sind, was genau den Interessen des Dorfes dient?»
    «Ich glaube nicht», sagte James Bull-Davies, «dass Sie so kurzsichtig sein könnten.»
    «Aber sagen wir, es
wäre
so. Sagen wir, es gäbe einen Fall, in dem Ihre Auffassung davon, was dem Dorf dient, nicht damit in Einklang zu bringen ist, was ich für moralisch und vom geistlichen Standpunkt aus für richtig halte.»
    Er seufzte. «Sie machen es mir wirklich schwer, Mrs.   Watkins. Und sich selbst vielleicht auch.»
    Merrily holte tief Luft. «Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Wie würden Sie in einer Situation reagieren, in der wir uns nicht einigen können?»
    «Na gut. Je nachdem, wie wichtig die Angelegenheit wäre, würde ich all meinen Einfluss geltend machen. Um Sie aus der Gemeinde zu bekommen.»
    Wie es dein jämmerlicher Ahne mit Wil Williams gemacht hat?
Merrily sprach es nicht aus.
    «Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit», sagte sie stattdessen.
    Er nickte und ging, bevor Sie ihm den Tee einschenken konnte.
     
    Als Jane mit Fish and Chips zurückkam, klammerte sich Merrily bleich vor Wut an die Chromstange des Agas und rang um Fassung.
    «Mom   …?» Jane stand mit der heißen Tüte vor ihr. «Was   …?»
    «Stell die Sachen in den Herd.» Merrilys Stimme war leise. «Wir holen das Auto.»
    «Auto?»
    «Und die Schlafsäcke, wenn du willst.»
    «Übernachten wir hier?»
    «Genau das machen wir, verdammt nochmal.»
    «Oh. Und wie kommt das? Was hat er gesagt?»
    «Wir müssen uns endlich richtig hier einrichten. Ledwardine soll merken, dass wir da sind und bleiben werden.»

14   Erwachsene Frauen oder nicht?
    Vertrau bloß keinem Menschen   …
    Na gut, das war keine sehr christliche Maxime, aber   …
    Merrily schleppte

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