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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Sachen im Herd sind inzwischen bestimmt total zusammengebacken.»
    Und der Boden bestand aus nackten Steinfliesen. Es war genau wie in der Kirche, nur dass hier keine Totenschädel in den Stein gemeißelt waren.
    «Was meinst du, Schätzchen?»
    «Nein.» Jane stampfte mit dem Fuß auf. «Wir bleiben. Es ist doch dumm, sich vor seinem eigenen Haus zu gruseln. Sind wir erwachsene Frauen oder nicht?»
     
    Schließlich übernachteten sie in dem Schlafzimmer, in dem Merrily im Winter schon einmal geschlafen hatte. Wenigstens gab es hier einen Holzboden. Sie rollten die Schlafsäcke aus, die für einen Familienurlaub im Lake District gekauft worden waren, der dann nicht mehr stattgefunden hatte.
    «Komisch», sagte Jane in die Dunkelheit hinein, «immer wenn man an einem kalten Abend endlich in seinem Bett liegt, muss man aufs Klo.»
    «Reine Einbildung. Mit anderen Worten: Ich komme nicht mit.»
    «Hab ich dich vielleicht gefragt?»
    «Denk am besten an etwas anderes», sagte Merrily, «dann vergisst du es.»
    « O.   k. »
    Stille. Merkwürdig. Sollte es in so einem alten Haus abends nicht knacken? Das Balkenwerk musste sich bei dem abendlichen Temperaturwechsel doch strecken oder zusammenziehen.
    «Mom   …»
    «Mmh?»
    «Hast du schon mal jemanden gekannt, der Selbstmord begangen hat?»
    Dieses Mädchen hatte wirklich ein Gefühl für den rechten Moment.
    «Ich glaube nicht», sagte Merrily, «jedenfalls niemand aus meiner engeren Bekanntschaft.»
    Edgar Powell, dessen Todesursache am nächsten Tag amtlich festgestellt werden sollte, hatte sie nur einmal gesehen. Und zwar in der letzten Stunde des letzten Abends, den er zu leben hatte.
Schlaf endlich, Jane.
    «Und wie war das mit Nick Drake?»
    Merrily seufzte. «Ich weiß nicht, ob das Selbstmord war oder nicht.»
    «Du hast gesagt, er hat sich umgebracht.»
    «Er ist an einer Überdosis Antidepressiva gestorben, die er offenkundig selbst genommen hat. Aber ob er wirklich eine Überdosis nehmen
wollte
, weiß kein Mensch. Er war einfach verschlossen und niedergeschlagen, und seine Karriere hat sich nicht so richtig entwickelt, das ist alles. Außerdem ist das ewig her, da warst du noch nicht mal geboren.»
    «Mom?»
    «Ja?»
    «Wenn Dad nicht umgekommen wäre, hätte er dann ins Gefängnis gehen müssen?»
    Allmächtiger. Hatte sie gerade einen Trübsinnsanfall?
    «Ich weiß nicht. Kann sein. Vielleicht hätte ihm die Anwaltskammer auch nur die Zulassung entzogen. Er war kein Krimineller. Im eigentlichen Sinn. Er war einfach nur frustriert und hat manche Leute um sich herum auf ziemlich unorthodoxe Art haufenweise Geld verdienen sehen. Und die wurden dann seine Klienten. Aber das weißt du alles schon.»
    «Wann hast du es herausgefunden?»
    «Als es zu spät war, um ihn zu stoppen.»
    «Warum hast du ihn damals nicht verlassen?»
    «Das hätte ich vermutlich noch getan.»
    «Und hättest du dann trotzdem noch Theologie studiert?»
    «Klar.»
    «Aber wärst du dann als Pfarrerin noch tragbar gewesen?»
    «Das weiß ich nicht.»
    «Fühlst du dich nicht irgendwie   … schlecht? Ich meine, weil wir von seinem schmutzigen Geld profitiert haben?»
    «Doch.»
    «Hast du dich deshalb noch mehr für die Kirche engagiert? Dich so richtig in die Arbeit reingestürzt?»
    «Das klingt, als wäre die Kirche ein Badesee.»
    «Hast du ihn noch geliebt, nachdem du draufgekommen bist, dass er krumme Dinger dreht?»
    «Man kann nicht einfach so aufhören, jemanden zu lieben   …»
    «Und als du das mit seiner Affäre rausgefunden hast?»
    «Ich weiß nicht. Ich schätze, damals habe ich ihn gehasst. Ich bin schließlich nicht Jesus.»
    «Und hast du ihm inzwischen verziehen?»
    «Ich hoffe es.»
    «Wenn er nicht umgekommen wäre, hättest du ihm dann verziehen?»
    «Ich weiß nicht. Wäre wahrscheinlich darauf angekommen, was er als Nächstes getan hätte.»
    «Wenn es ihm leidgetan hätte?»
    «Ja, wenn es ihm leidgetan hätte. Jane, warum fragst du mich das alles? Du kennst die Geschichte doch.»
    Janes dünner weißer Arm tauchte aus ihrem Schlafsack auf. «Ich denke einfach noch einmal über alles nach. Mir kommt alles so   … unwirklich vor. Wie in einem Traum. Ich muss mir noch einmalklarmachen, wie wir hier gelandet sind. Nur für den Fall, dass ich tatsächlich träume. Es ist ein unangenehmes Gefühl.»
    Merrily wusste nicht recht, was sie darauf sagen sollte.
    «Liegt es daran, dass ich betrunken war? Liegt es an dem Cider? Merkt man davon noch Tage später

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