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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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fensterloseEichentür sah aus wie das Tor zu einem ausbruchssicheren mittelalterlichen Gefängnis.
    Sie ging nicht hinein. Stattdessen lief sie unter dem hölzernen Torbogen seitlich am Haus vorbei auf den großen, quadratischen Rasen, über den sich eine Weide und eine Birke neigten. «Jane!»
    Sie ging um das ganze Haus herum. Der Volvo stand unter den Bäumen, wo sie ihn abgestellt hatte. In Liverpool war er ihr vier Mal gestohlen worden. Jedes Mal hatte sie ihn zurückbekommen, und noch immer war sie lächerlich froh, wenn sie ihn da wiederfand, wo sie ihn abgestellt hatte. Warum waren sie bloß nicht in ihrem gemütlichen alten Liverpool geblieben, wo man sich höchstens darüber Sorgen machen musste, ob einem das Auto gestohlen wurde.
    Janes CD lag noch auf der Ablage. Das Cover zeigte vier Männer auf einer Waldlichtung, die den verschwommenen Umriss eines Mädchens beobachteten. Darunter standen die Worte
Hazey Jane
. Kein Wunder, dass Jane hingerissen war. Tränen brannten in Merrilys Augen. «Jane!»
    Sie wischte sich übers Gesicht und rannte zurück zur Einfahrt. Nein. Stehen bleiben. Überlegen.
    Sie war nicht im Bus. Vielleicht morgens auch nicht. Sie war besonders früh losgegangen. Wollte einen Spaziergang durchs Dorf machen. O.   k. Jane war neugierig. Andererseits gab es in Ledwardine nicht mehr besonders viel zu entdecken, wenn man erst mal ein paar Wochen hier wohnte. Hatte sie sich mit jemandem verabredet? Hatte sie einen Freund? Merrily dachte an den übergewichtigen Jungen mit seiner Cider-Dose. Bitte nicht.
    Cider.
    Ihre Kehle wurde eng. Sie ging über den Marktplatz zu
Cassidy’s Country Kitchen
.
    Die bekommt was zu hören!
    Lieber Gott, bitte lass sie nur mit dieser grässlichen Lolita unterwegs sein und sich wieder betrinken.
     
    Lol ging in den Garten hinaus. Weiße Blüten. Frühling. Die absolut deprimierendste Jahreszeit. Da hatte man all diese langen, ereignislosen Sommertage vor sich. Im Winter konnte man wenigstens ein paar Stunden mit Holzhacken verbringen, damit man es abends warm hatte.
    Alle Apfelbäume blühten. Obwohl er direkt hinter seinem Grundstück begann, war Lol noch nie in Powells Apfelgarten gewesen. Das Gelände gehörte schließlich jemand anderem. Außerdem wirkte es nicht gerade sehr einladend, so undurchdringlich und voller Gestrüpp, wie es war. Nein, an vernachlässigten Apfelbäumen war wirklich überhaupt nichts Romantisches.
    Es war Alison gewesen, der es hier gefallen hatte. Alison, die gesagt hatte, wie sehr sie sich darauf freute, dass Lol sich hier wieder ganz erholen würde. Die sich zu ihm umgedreht hatte, mit diesem verschämten Lächeln und kokett niedergeschlagenen Augen, fast wie die letzte Prinzessin von Wales. Das hatte bei Lol hundertprozentig funktioniert.
    Mit all den weißen Blütenwolken wirkte der Apfelgarten nicht mehr so abweisend und düster. Aber unheimlich war er immer noch; nur hatten sich die alten, verkrümmten Finger weiße Handschuhe übergestreift.
    Er überlegte, ob es etwas geändert hätte, wenn er mit Alison zu diesem Wassailing gegangen wäre. Er hatte keine Lust gehabt, zwischen lauter Fremden herumzustehen, und das war einer der Gründe gewesen, aus denen er ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt zu Gary Kennedy nach Oxford gefahren war, um ein paar Songs zu texten. Er hatte gedacht, Alison würde mitkommen, aber dann hatte sie gesagt, sie fühle sich, als ob sie eine Erkältung bekommen würde, und es wäre besser, wenn sie zu Hause im Warmen bliebe.
    Erkältet hatte sie sich dann doch nicht, und schön warm war es ihr mit Bull-Davies offenbar auch gewesen. Vielleicht waren sie danach ja ins Cottage gekommen, um sich die Blutspritzer und winzigen Fleischfetzen von dem alten Mann abzuduschen.
    Der alte Powell. Also schon zwei Selbstmorde in diesem Apfelgarten hier, wenn man diesen Priester Wil Williams mitrechnete, der sich erhängt hatte. Mindestens zwei. Ein Ort, von dem man sich besser fernhielt, wenn man so drauf war wie er. Er hatte sich schon über sich selbst gewundert, weil er am Samstagabend plötzlich hinter Colette Cassidy bis ins Herz der Pflanzung gelaufen war. Aber da war ihm ja auch keine Zeit zum Nachdenken geblieben.
    Jetzt aber hatte er Zeit zum Nachdenken. Und das musste er auch.
Du musst es schaffen. Du musst dich gegen ihn wehren.
    Gegen Karl. Mit Dennis im Schlepptau. Aber Dennis war ein netter Kerl. Das war Karl Windling nicht. Karl würde nicht aufgeben. Er würde wieder zu ihm ins Cottage kommen. Und

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