Fruchtbarkeit - 1
gestehen, über die ich in der Nacht weinen muß, wenn ich daran denke. Ich habe nie ein schlechtes Herz gehabt. Sie wissen es, nicht wahr? Wenn man es mir wegnehmen wird, dieses Kind, so wird man mir mein Inneres herausreißen… Nun, seid ihr befriedigt, alle zwei, daß ich euch das sage? Da habt ihr nun viel davon, daß ihr mich in einen solchen Zustand versetzt, da doch niemand etwas dagegen tun kann; denn er wird nun doch ins Elend hinaus müssen, während ich auf die Straße zurückkehren werde, bis man mich einmal aufklaubt.«
Weinend gleich ihr umarmte Cécile sie, küßte das Kind und kam wieder auf ihren Traum zu sprechen, eine gemeinschaftliche Wohnung zu nehmen, malte aus, wie glücklich sie da alle drei sein würden, in einem hübschen Zimmer, welches sie sich voll unaufhörlicher Freude vorstellte, gleich einem Paradies. Die kleinen Schachteln seien nicht schwer zu schneiden und zu kleben. Wenn Norine sich einmal darauf verstände, so würde sie, die stark sei, vielleicht drei Franken verdienen. Fünf Franken für sie beide, waren sie da nicht reich, konnten das Kind behalten und erziehen, und alle die häßlichen Sachen wären vorbei und vergessen? Und Norine wurde schwächer und schwächer, ließ sich überreden, hörte auf, nein zu sagen.
»Ihr betäubt mich ganz, ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll, macht, was ihr wollt… Ach, freilich wäre es ein großes Glück für mich, wenn ich mein Kind behalten könnte!«
Cécile schlug entzückt die Hände zusammen, während Malhieu, sehr bewegt, feierlich sagte:
»Sie haben ihn gerettet, er rettet Sie.«
In diesem Augenblicke trat eine lange Gestalt ein, ein großes Mädchen, dürr und mager, mit ernstem Gesicht, matten Augen und blassem Munde. Wo hatte er diese, einem halbbearbeiteten Brett gleichende Figur schon gesehen, diesen flachen Leib, ohne Brust und ohne Hüften? Und plötzlich erkannte er sie zu seinem unsagbaren Staunen: es war Amy, die Engländerin, die er nach zehn Jahren ganz ebenso aussehend wiederfand, dasselbe Alter, dasselbe Kleid, dieselbe Gelassenheit der Ausländerin, die nicht einmal die Sprache des Landes kannte, wohin sie kam, um ihre Last abzuwerfen. Jetzt erkannte er sogar auf dem nebenstehenden Bette den zugeschnallten Handkoffer, ebenso wie den kleinen Reisesack. Zum vierten Male kam sie nun in diesem Hause nieder; und das vierte wie das erste Mal war sie eines schönen Tages ohne vorherige Anzeige erschienen, acht Tage vor der Entbindung; und nachdem sie drei Wochen zu Bette geblieben war und das Kind hatte verschwinden lassen, indem sie es dem Findelhause übergab, kehrte sie ruhig mit demselben Schiff, das sie hergebracht hatte, in ihre Heimat zurück.
Als sie mit ihrem leichten Gepäck sich zum Gehen wandte, hielt Norine sie zurück.
»Sie haben Ihre Rechnung bezahlt, Sie verlassen uns? Geben Sie mir doch noch einen Kuß und meinem Kleinen auch!«
Die Engländerin berührte mit ihren Lippen den nackten Kopf des Säuglings, befangen gegenüber diesem so jungen, zarten, warmen Körper.
»Und glückliche Reise!« sagte Norine wieder. »Yes, adieu, adieu.«
Sie ging, ohne auch nur einen letzten Blick auf dieses Zimmer zu werfen, wo sie gelitten hatte. Und Mathieu verfiel wieder in sein Erstaunen über dieses große, so wenig für die Liebe geschaffene Mädchen, welches von Zeit zu Zeit nach Frankreich kam, um sich zwischen zwei Schiffen ihrer Frucht zu entledigen. Und der Frucht welchen Umganges, großer Gott! Und mit welch gelassener Herzenshärte ging sie fort, ohne jede Bewegung, ohne einen Gedanken an das Kind, das sie zurückließ!
»Die bringt es wohl noch auf das halbe Dutzend.« sagte Norine, als sie verschwunden war. »Dabei nützt es ihrem Französisch gar nicht viel, daß sie zu uns kommt, um entbunden zu werden, denn so viel ich sie auch darüber ausgefragt habe, was sie in England macht, ich habe nicht vier Worte aus ihr herausbringen können. Wenn sie in einem Kloster ist, wie man sagt, so beweist das, daß man sich überall schlecht aufführen kann. Das ist eine, für die es gut wäre, wenn sie selber stillen würde, damit sie nicht so oft notwendig habe, die Überfahrt zu machen!«
Sie lachte nun, sie war glücklich; eine schwere Last war ihr von der Brust gefallen. Und sie bestand darauf, sich anzukleiden und mit ihrem Kinde auf dem Arme hinabzugehen, um ihre Schwester und ihren gemeinschaftlichen Freund bis zum ersten Stock zu begleiten.
Seit einer halben Stunde waren Constance und Madame
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