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Frühling der Barbaren

Frühling der Barbaren

Titel: Frühling der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Lüscher
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jene Praktikantin, die sich vom Nähen des Tuaregkostüms vergeblich eine Einladung zur Hochzeit erhofft hatte, unter den Tischen im Handelssaal herum, trennte, wie ihr aufgetragen, die Rechner vom Netz und ließ sich dabei von verwirrten Männern in teurer Freizeitkleidung mit Pappkartons unter den Armen auf den Hintern glotzen.
    Die Kündigungen waren die letzten Nachrichten, die es aus der Heimat in die Wüste schafften. Kurz darauf versagten die Telefone ihren Dienst, denn die Verantwortlichen der tunesischen Telefongesellschaft hatten beschlossen, dass das Roaminggeschäft mit den englischen Telekommunikationsfirmen angesichts der neuesten Entwicklungen zu risikoreich sei. Der Zusammenbruch der Kommunikationskanäle löste in den eben arbeitslos Gewordenen die unterschiedlichsten Empfindungen aus. Während es einigen die Tränen in die Augen trieb und bei anderen zu haltlosem, hysterischem Lachen oder ebenso haltlosem, unflätigem Fluchen führte, konnte man zwischen den schmalen Schulterblättern einer mageren Dunkelhaarigen ein leises Erschaudern erkennen, welches unter anderen Umständen zu beobachten man eventuell für reizvoll befunden hätte, ein Erschaudern, ausgelöst von der Vorstellung, man habe sie im Sand, draußen in der Wüste, bei lebendigem Leibe begraben. Quicky, der sich mittlerweile aller Kleidung, bis auf eine knittrige Chino, entledigt hatte und breitbeinig auf einer Sonnenliege ruhte, reagierte gelassen, schleuderte sein nutzlos gewordenes Telefon mit einer schnellen Bewegung aus dem Handgelenk in das irisierende Blau des Schwimmbeckens, wo es für das erste Blutvergießen an jenem Tag sorgte, als es nämlich nicht einfach wie ein Stein versank, sondern, seiner flachen Bauform geschuldet, drei, vier Mal auf der Wasseroberfläche lustig aufhüpfte und schlussendlich der schwimmenden Leiterin einer privaten Kinderkrippe, die bis zu jenem Moment ein bisschen wie Romy Schneider ausgesehen hatte, die Vorderzähne ausschlug.
    Von diesem Kollateralschaden inspiriert, hob Quicky zu einer Rede an, und just in diesem Augenblick tauchte Preising frisch und ausgeruht am Schwimmbecken auf.
    «Es war weiß Gott eine schwer einzuordnende Szene, und in dieser Hinsicht schloss sie nahtlos an die Londoner Straßenszene an, über der ich eingenickt war und die mich in meine Träume verfolgt hatte. Allerdings brannte hier die Sonne erbarmungslos vom Himmel, und es herrschte eine kaum zu ertragende Mittagshitze. Alles war in ein quecksilbriges Licht getaucht, das die Konturen scharf hervorhob und alles Schöne, aber eben auch alles Hässliche in schonungsloser Klarheit abbildete und zu einer Art Regungslosigkeit verurteilte, die mich an die Tableux Vivants der Oberammergauer Passionsspiele erinnerte. Am Beckenrand saß weinend eine junge Frau, in der ich, trotz des blutbefleckten Handtuches, welches sie sich an die Lippen presste, die Frau erkannte, die mir in den Tagen zuvor wegen ihrer frappanten Ähnlichkeit mit Romy Schneider aufgefallen war. Zwei Freundinnen kümmerten sich um sie, strichen ihr über das feuchte Haar, sprachen beruhigend auf sie ein. Im Becken tauchte derweil ihr Verlobter, ein Wertpapierhändler aus dem britischen Adel, tastend nach den ausgeschlagenen Schneidezähnen, das schüttere Haar klebte dünn an seinen Schläfen.
    Quicky, der von den Freundinnen mit bösen Blicken bedacht wurde, foutierte sich darum, hob dafür zu einer längeren Rede an, die in etwa darauf hinauslief, dass nun große Zeiten anbrechen würden, denn eins wisse er mit Sicherheit, die Zeichen stünden auf Krieg, das sei unausweichlich, und wenn es so weit sei, dann müsse man sich eben wieder unter Waffen stellen, notfalls mit den Truppen Ihrer Majestät, aber lieber noch für eine private Sicherheitsfirma, und sie sollten sich alle keine Sorgen machen, denn er kenne ja ihre Qualitäten, und er sei bereit, mit ihnen in den Krieg zu ziehen, mit jedem Einzelnen von ihnen. Wenn es die Umstände verlangten, dann tausche man eben den Handelssaal gegen die Gassen von Basra, die Ölfelder von Al-Qurna oder seinetwegen auch gegen die Wälder Flanderns und die Straßen Berlins. Einmal ein Team, immer ein Team, mit diesem Schlachtruf schloss er und hob seine Bierflasche in die Höhe. Nicht wenige hoben nun ihrerseits die Flaschen und echoten seinen Ruf, aber es schien mir, als täten sie es eher belustigt, so hoffte ich zumindest.»
    Weit weniger martialisch, aber um einiges zielstrebiger reagierte Jenny auf die veränderten

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