Fuer Akkie
Wort tat weh.
»Kommst du mit?«, fragte der Arzt. »Wir müssen auf eine andere Station.«
Akkie zögerte kurz. Was wäre, wenn sie sich einfach weigerte? Aber hatte sie überhaupt eine Wahl? Irgendwie vertraute sie diesem Doktor Schnauzer. Er sagte ehrlich, was Sache war, und druckste nicht herum wie ihre Eltern.
»Dürfen wir auch mit?«, wollte Akkies Vater wissen.
»Natürlich, aber es ist kein schöner Anblick. Ich muss dir wirklich wehtun, Akkie, aber du darfst schreien und weinen, so laut du willst.«
Akkie stand auf und sagte barsch: »Sechstklässler weinen nicht.«
Sie folgte Doktor Schnauzer durch einen langen Flur in ein Zimmer mit eigenartigen Gerätschaften und einer Liege. Eine Krankenschwester wartete dort bereits. Sie reichte Akkie und ihren Eltern die Hand und stellte sich vor: »Ich bin Veerle van Genugten.« Sie hatte denselben singenden Tonfall wie Elise. Dadurch fühlte sich Akkie gleich ein bisschen besser.
»Ziehst du dich bitte aus?«, sagte Veerle.
Akkie erschrak. »Ganz?« Sie verspürte wenig Lust, sich völlig nackt vor allen zu zeigen.
»Dein T-Shirt und deine Unterhose darfst du anbehalten.«
Akkie zog sich langsam den Pullover über den Kopf und schlüpfte aus den Schuhen und der Hose.
»Du hast schöne Haare«, sagte Doktor Schnauzer bewundernd. »Ich wünschte, ich hätte auch solche.« Dabei zeigte er auf seinen kahlen Schädel.
Akkie musste sich auf den Bauch legen.
»Würden Sie sich bitte ans Kopfende stellen?«, bat Veerle ihre Eltern. Und zu Akkie sagte sie: »Streck deine Arme aus und halte deine Eltern gut fest. Drück einfach zu, wenn es sehr wehtut.«
Akkie nahm die Hände ihrer Mutter. Nicht weinen, dachte sie, nicht weinen. Ich muss tapfer sein. Sie schlos s die Augen und wartete gespannt.
»Jetzt werde ich deine Beine festhalten«, sagte Veerle. »Du musst möglichst still liegen bleiben, dann ist es schnell vorbei.«
Akkie spürte, wie der Arzt ihr T-Shirt hochschob und ihr etwas über den unteren Rücken rieb.
»Ich muss die Stelle erst desinfizieren«, erklärte er. »Es wird kühl, spürst du das? Jetzt musst du versuchen, dich zu entspannen. Verstehst du, was ich meine, Akkie?«
»Denk an unseren Kater«, sagte ihr Vater, »wenn er ausgestreckt auf dem Sofa döst.«
Akkie versuchte es, aber sie fühlte sich eher wie Kareltje, wenn er dem Dackel des Nachbarn ins Gehege kam: total gestresst.
»Entspann dich, Schatz«, flüsterte ihre Mutter.
»Ja, Mam«, fauchte Akkie, »ich geb mir ja Mühe.«
»Natürlich, Liebes. Drück so fest du willst.«
Der Schmerz, der Akkie durchfuhr, war unerträglich. Es fühlte sich an, als würde ihr jemand ein Messer in den Rücken bohren. Sie stieß einen wilden Schrei aus und quetschte die Hand ihrer Mutter.
»Au!«, entfuhr es dieser.
Aber Akkie schrie noch lauter. Der Schmerz schien nie mehr aufzuhören. Tränen strömten über ihre Wan gen, und sie zerquetschte ihrer Mutter fast die Hand. Nac h einem weiteren spitzen Schrei presste Akkie krampfhaft die Lippen aufeinander. Sie zwang sich verzweifelt, tapfer zu sein.
Ihre Mutter redete ihr ruhig zu. Nichts ließ darauf schließen, dass ihre Hand gerade zu Mus gequetscht wurde. »Noch einen Augenblick, Akkie, es ist fast vorbei. Drück, drück nur so fest du kannst. Gleich hast du es geschafft.«
Aber Akkie konnte nicht mehr. Sie wollte gerade wieder losbrüllen, als es vorbei war.
»In einer Stunde wissen wir mehr«, sagte Doktor Schnauzer und strich Akkie kurz über den Kopf.
»Scheißspritze!«, wimmerte Akkie, während sie sich vorsichtig auf den Rücken rollte.
Der Arzt nickte. »Du hast recht, Mädchen, es ist eine Scheißspritze. Für mich ist es das Schwierigste an meiner Arbeit. Aber manchmal muss man jemandem wehtun, um ihn zu heilen.« Dann zeigte er ihr ein Röhrchen mit einem dicken roten Brei. »Schau mal, darum ist es mir gegangen. Das ist dein Knochenmark.«
»Sieht voll eklig aus«, sagte Akkie.
Doktor Schnauzer lachte, und Veerle deckte sie vorsichtig zu. »Bleib noch ein bisschen liegen. Ich hole dir was zu trinken. Was möchtest du denn? Cola?«
»Was? Hier gibt’s Cola?«, fragte Akkie noch unter Tränen.
»Klar!«, rief Doktor Schnauzer. »Cola, Limo, Kakao, ein Mars, ein Twix, ein Twax oder ein Twox! Sag’s nur!«
»Dann gern Cola«, sagte Akkie.
»Und Sie möchten bestimmt Kaffee?«, wandte Veerle sich an ihre Eltern.
Doktor Schnauzer und Veerle ließen sie allein, und Akkie lag noch eine ganze Weile mit geschlossenen
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