Fuer Akkie
nahm sie Kareltje unter den Arm und schleppte sich nach oben.
»Ich wecke dich um drei«, rief Mam noch hinter ihr her. »Um vier müssen wir zur Kontrolle bei Doktor van der Laan sein.«
Akkie verdrehte die Augen. Es war zwar kein großer Akt, aber sie hatte überhaupt keine Lust. Durch die lange Leitung sollte ein wenig Blut abgezapft werden, und danach würde es eine Viertelstunde dauern, bis das Ergebnis da war und sie wieder nach Hause durfte.
Plötzlich fiel ihr wieder ein, dass sie sich mit Laurens verabredet hatte.
»Mam, ich kann heute aber nicht«, rief sie hinunter. »Laurens kommt.«
»Den rufe ich gleich an, das wirst du auf morgen verschieben müssen.«
Enttäuscht verzog sich Akkie ins Bett; sie war so müde, dass sie sofort einschlief. Als ihre Mutter sie um drei Uhr weckte, kam sie kaum aus dem Bett. Ganz benommen stieg sie ins Auto, um mit ihrer Mutter in die Klinik zu fahren. Dort wurde sie jedoch schlagartig hellwach, als man ihr nicht nur Blut abnahm, sondern auch noch eine schmerzhafte Spritze in den Oberschenkel gab. Danach musste sie viel länger warten als sonst, und irgendwann stand Doktor Schnauzer mit besorgter Miene vor ihr.
»Es tut mir sehr leid, Akkie«, sagte er, »heute habe ich keine guten Neuigkeiten für dich. Wir dachten eigentlich, die erste Chemo hätte gut angeschlagen, aber wir haben gerade entdeckt, dass da doch etwas nicht stimmt. Du musst hierbleiben, damit wir gleich heute mit der zweiten Therapie anfangen können. Wir sind noch früh genug dran, es wird also bestimmt alles gut!«
Resigniert folgte ihm Akkie auf die Station. Dicker Nebel waberte durch ihren Kopf, sie fühlte sich, als könnte sie nicht mehr denken. Sie wollte auch gar nicht denken. Hinter ihren Lidern brannten Tränen, und sie wusste genau, dass sie ganz schrecklich zu weinen anfangen würde, sobald ihr Kopf wieder klarer wäre und sie darüber nachdenken würde, was gerade geschah.
In der Kinderonkologie wurde sie überschwänglich vom kleinen Sven begrüßt. »Schau mal, Akkie«, rief er und drückte seinen Kopf an sie, »ich hab wieder Haare.«
Akkie lächelte schwach, doch sie schaffte es nicht, irgendetwas zu sagen.
Dieses Mal bekam sie Box acht, und das beruhigte sie ein bisschen, denn acht war schließlich das Doppelte ihrer Glückszahl.
Eine Schwester, die sie nicht kannte, hängte eine Infusion neben ihr Bett und verband sie mit der langen Leitung. Akkie wollte eigentlich nach Veerle fragen, abe r sie war zu müde zum Sprechen und döste sofort ein. Ganz entfernt hörte sie noch die Stimmen ihrer Eltern; es beruhigte sie, dass sie in der Nähe waren.
Ob es sich so anfühlte, wenn man starb? Hatte man dann genau so ein vages Gefühl? So, als würde man langsam in eine andere Welt driften? Plötzlich schwebte sie durch die Luft, erhaben und langsam wie ein großer Vogel. Sie flog über die Schule, über das Fußballfeld und am hohen Gebäude der Theo Thijssen empor. Sie konnte durch die Fenster hineinschauen. Dort, ganz vorne in der Klasse, saß der Junge mit dem Bärtchen und winkte ihr zu.
Und weiter ging es, über Wälder und ausgedehnte Felder und dann im Sturzflug nach unten. Akkie landete dicht vor einem großen Gebäude, das sie sofort erkannte. In der Schule hingen Fotos von allen sechsten Klassen, die auf der Martin-Luther-King- Schule gewesen waren. Und alle Aufnahmen stammten von der Klassenfahrt.
Weinend wachte Akkie auf.
In den letzten Wochen hatten ihre Eltern gelernt, dass es nicht half, immer zu sagen: »Ganz ruhig, ganz ruhig.« Paps streichelte deshalb einfach ihr Gesicht, und Mam hielt ihre Hand. Aber die Tränen liefen immer weiter, als wollten sie nie mehr versiegen.
Ihre Mutter begann leise zu summen, wie sie es früher getan hatte, als Akkie noch klein war, und die Stimme ihres Vaters zitterte, als er sagte: »Wir bleiben bei dir, Akkie, zusammen schaffen wir das. Ich weiß, was du fühlst, aber es wird wirklich alles wieder gut.«
»Das Fußballturnier«, schluchzte Akkie. »Ich will dabei sein! Und bei der Prüfung. Und bei der Klassenfahrt. Und in der Übergangsklasse.«
»Hör zu, Liebes, ich habe schon mit Ina telefoniert. Sie kommt morgen ins Krankenhaus.«
»Am Montag ist die Prüfung!«
»Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen, meint Ina. Es wird wirklich alles gut.«
Allmählich beruhigte sich Akkie ein wenig. Sie wischte die Tränen ab und starrte vor sich hin.
»Geht’s wieder?«, fragte ihr Vater vorsichtig.
Doch auf einmal wurde
Weitere Kostenlose Bücher