Fuer Akkie
Akkie schrecklich wütend. Es war, als würde etwas in ihr explodieren. »Verschwinde!«, schrie sie. » Verschwindet alle beide! Ich will hier weg, ich will weg aus diesem Scheißkrankenhaus.«
»Aber Akkie, Liebes!«, stammelte ihre Mutter.
»Weg, sag ich, weg, weg, weg!«
Ihr Vater versuchte, ihre Hand zu nehmen, aber Akkie schlug wild um sich und schrie: »Fass mich nicht an!«
Ihre Mutter rannte auf den Gang und rief: »Schwester, bitte kommen Sie schnell!«
Veerle eilte herbei und hielt die sich widerstrebende Akkie fest. Sie wehrte sich mit aller Kraft, aber Veerle war stark und nach kurzem Ringen fiel Akkie in die Kissen zurück und blieb still liegen.
»Sie beide trinken am besten erst einmal einen Kaffee«, wandte sich Veerle bestimmt an Akkies Eltern.
»Aber …«, stammelte Akkies Mutter.
»Komm, Loes«, sagte Akkies Vater fest und führte sie aus dem Zimmer.
Veerle setzte sich an Akkies Bett und prüfte, ob die Infusion noch richtig saß.
»Ich führe mich total dämlich auf, oder?«, fragte Akkie mit zittriger Stimme.
»Aber nein, es ist doch logisch, dass du es ab und zu gründlich satthast. Das platzt dann aus dir heraus wie aus einem Vulkan.«
»Mam und Paps sind so lieb zu mir, und ich beschimpfe sie.«
Veerle lachte. »Du bist wirklich ganz schön ausgerastet, aber wenn man richtig wütend ist, sagt man oft Sachen, die einem später leidtun. Das musst du ihnen nachher einfach erklären.«
»Schreist du hier so rum?«, fragte eine piepsige Stimme, und der kleine Sven huschte in ihre Box. Er kletterte auf Veerles Schoß und sah Akkie forschend an.
»Schreist du so?«, fragte er wieder.
Akkie nickte und sagte: »Aber jetzt nicht mehr.«
»Ich finde es toll, dass du wieder da bist«, meinte Sven, »hier bei mir auf der Okkelogie.«
In dem Moment wurde Akkie klar, dass Sven in den letzten Wochen in der Klinik geblieben war. Sie dagegen war zu Hause gewesen und sogar zur Schule gegangen.
»Guck, meine Haare«, sagte Sven stolz und schob ihr seinen Kopf unter die Nase. Akkie streichelte darüber. Es fühlte sich an wie das flaumige Fell einer kleinen Katze.
»Erzählst du mir eine Geschichte?«, fragte Sven.
»Ich kenne keine«, murmelte Akkie erschöpft.
»Sonst kennst du immer eine. Bitte, bitte, nur eine kleine Geschichte.«
»Nein, heute nicht.«
»Eine ganz winzig kleine.«
»Also gut.«
Sven krabbelte von Veerles Schoß und machte es sich neben Akkie auf dem Bett gemütlich.
»Es war einmal ein Land«, begann Akkie stockend, »in dem nur Menschen mit kahlen Köpfen wohnten.«
Leise verließ Veerle die Box. »Ich gehe kurz zu deinen Eltern.«
»Erzähl weiter«, verlangte Sven.
»Aber eines Tages wollten sie auch Haare auf dem Kopf haben. Sie gingen zu einem Zauberer, und der rief: ›Simsalakahl, Haare für alle einmal!‹ Plötzlich hatten die Menschen Haare, die bis zum Boden reichten. Erst waren sie darüber sehr froh, aber die Haare waren so lang, dass sie immer wieder darüber stolperten.«
»Was ist ›stolperten‹?«
»Fallen. Sie brauchten nur drei Schritte zu machen, schon fielen sie um. Zum Glück landeten sie nicht so hart auf dem Boden, weil sie ja auf ihre Haare fielen. Trotzdem gingen sie zu dem Zauberer zurück und fragten: ›Ginge es nicht auch ein Stück kürzer?‹ – ›Nein‹, antwortete der Zauberer, ›entweder lang oder ganz kahl.‹ – ›Dann lieber wieder kahl‹, riefen die Menschen. Und von da an waren alle zufrieden mit ihren kahlen Köpfen. Aus.«
Sven klatschte in die Hände. »Das war schön! Aber sind die Menschen auch gestorben?«
Akkie zögerte, aber dann sagte sie: »Ja, aber erst, als sie gaaaanz alt waren.«
»Genau wie wir«, sagte Sven. »Und wir heiraten später, stimmt’s, Akkie? Und dann werden wir ein ganz alter Opa und eine ganz alte Oma.«
Akkie lachte und spürte, wie sie endlich wieder etwas zur Ruhe kam. Natürlich war es blöd, dass sie nicht in die Schule konnte. Aber Doktor Schnauzer hatte gesagt, dass sie gesund werden konnte, und darauf musste sie vertrauen. So wie Sven ganz sicher war, dass sie zusammen alt werden würden.
Es klopfte leise an der Tür, und Akkies Eltern streckten vorsichtig ihre Köpfe in die Box. Sie gab beiden einen Kuss. »Tut mir leid, Mam. Entschuldige, Paps. Ich werde nicht mehr ausrasten. Na ja, ich versuche es jedenfalls.«
Am ersten Prüfungstag blieb Akkies Platz leer. Das fiel besonders auf, weil die Tische nun nicht mehr in Gruppen beisammen standen. Ausnahmsweise saß
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