Fuer alle Faelle Emma
nicht aufgeben. »Haben Sie nicht vielleicht noch irgendwo alte Unterlagen? Rechnungen? Oder Auftragsbestätigungen? Oder eine Kundenkartei? Irgendetwas, wo die Namen Ihrer Kunden festgehalten werden?«
Frau Klemmer schüttelte den Kopf. »Natürlich haben wir Unterlagen über unsere Aufträge, aber die werden alle paar Jahre vernichtet. Sonst hätten wir ja irgendwann ein riesiges Archiv. Aus der Zeit, in der dieses Foto entstanden sein muss, haben wir garantiert nichts Schriftliches mehr. Und unsere Kundenkartei reicht auch nicht so weit zurück. Wir aktualisieren sie regelmäßig.«
Ich seufzte und sah zu Mona hinüber. Sie ließ den Kopf hängen und sah genauso enttäuscht aus, wie ich mich fühlte. Das war's! Schluss, aus, vorbei. Wir waren in einer Sackgasse gelandet. Unsere Nachforschungen hatten noch gar nicht richtig angefangen, da waren sie auch schon wieder beendet. Es war wirklich zum Mäusemelken!
»Trotzdem vielen Dank«, sagte ich matt und nahm das Foto entgegen, das Frau Klemmer mir hinhielt.
»Vielleicht solltet ihr doch noch mal mit euren Eltern reden«, schlug sie vor. »Sie können euch bestimmt helfen, euren verschollenen Onkel zu finden.«
»Ja, mal sehen ...«, murmelte ich. »Also dann, auf Wiedersehen.«
Ich wollte mich gerade umdrehen und gehen, als ein alter Mann aus dem Hinterzimmer in den Laden schlurfte. Er hatte kein einziges Haar mehr auf dem Kopf, und sein Schädel glänzte wie eine polierte Holzkugel. Er musterte Mona und mich interessiert.
»Was wollen die jungen Damen denn?«, fragte er Frau Klemmer. »Kannst du ihnen nicht weiterhelfen?«
»Doch, doch«, sagte Frau Klemmer schnell. »Leg dich ruhig wieder hin, ich kümmere mich schon um die Kundschaft.«
Aber so leicht ließ sich der alte Mann nicht abwimmeln. »Warum soll ich mich denn mitten am Tag hinlegen? So ein Unsinn!«, brummte er. Dann wandte er sich an Mona und mich. »Ich habe diesen Laden aufgebaut und mich fünfunddreißig Jahre lang jeden Tag von morgens bis abends um das Geschäft gekümmert. Das gewöhnt man sich nicht so leicht ab.«
Mona lächelte freundlich. »Kann ich mir vorstellen. Dann sind Sie also der Seniorchef?«
Der Mann nickte. »Gestatten: Rudolf Klemmer.« Er deutete eine Verbeugung an, und Mona kicherte. »Ich habe so ziemlich jedes Gesicht in dieser Stadt schon einmal fotografiert. Schließlich sind wir das einzige Fotogeschäft in Dederstadt. Früher oder später kommen alle zu uns. Hochzeitsbilder, Familienbilder, Passfotos oder Bewerbungsfotos – ohne unsere Fotos geht gar nichts!« Er grinste verschmitzt.
Plötzlich hatte ich eine Idee. »Dann können Sie uns vielleicht weiterhelfen«, sagte ich und hielt Herrn Klemmer das Foto hin, das ich immer noch in der Hand hatte. »Wissen Sie vielleicht, wer dieser Mann ist? Das Bild ist vor vielen Jahren in Ihrem Laden gemacht worden.«
Herr Klemmer holte eine Brille aus seiner Hemdtasche und setzte sie auf. Dann sah er sich das Foto genau an.
»Doch, der Mann kommt mir tatsächlich bekannt vor.« Er kniff die Augen zusammen und schien angestrengt nachzudenken. »Mir fällt bloß gerade sein Name nicht ein ...«
Mona und ich warfen uns einen schnellen Blick zu und hielten gespannt den Atem an. Plötzlich ging ein Strahlen über das runzlige Gesicht des Seniorchefs.
»Ich hab's!«, verkündete er. »Das ist Klaus!«
»Klaus?«, fragte Mona und bekam vor Aufregung ganz rote Wangen. »Sind Sie sicher, dass er so heißt?«
Herr Klemmer nickte. »Ja. Ich habe ein ausgezeichnetes Namensgedächtnis. Und an Klaus erinnere ich mich noch sehr gut. Immerhin hat er jahrelang hier gearbeitet.«
»Heißt das, Klaus ist Fotograf?«, fragte ich.
Herr Klemmer lachte. »Nein, nein, natürlich nicht. Klaus Reichert hat für mich als Aushilfsfahrer gearbeitet. Das ist aber bestimmt schon zwanzig Jahre her. Vielleicht sogar noch länger. Damals hat er noch studiert. Wenn ich mich richtig erinnere, hat er sich mit dem Job bei uns sein Studium finanziert.«
»Was hat er denn studiert?«, fragte Mona.
Herr Klemmer kratzte sich am Kopf und schüttelte bedauernd den Kopf. »Das weiß ich leider nicht mehr. Ich glaube, es hatte etwas mit Gebäuden zu tun. Architektur oder Bauingenieurwesen oder so etwas. Ich habe ihn aus den Augen verloren, als er aufgehört hat, hier zu arbeiten. Was ist denn aus ihm geworden?«
»Wir haben leider keine Ahnung«, antwortete ich ausweichend.
»Vielleicht hat er ja in Amerika Karriere als Architekt gemacht«, sagte Frau
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