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Für ein Lied und hundert Lieder

Für ein Lied und hundert Lieder

Titel: Für ein Lied und hundert Lieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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Boden. Sie werden lachen, aber ich habe mir in die Hosen gemacht. Sollte die ganze beschwerliche Grenzüberquerung so enden?
    Anschließend hörte ich: ›Hände hoch, aufstehen! Nicht umdrehen, den Kopf nicht bewegen und losgehen! Eins, zwei, drei, vier! Rechts schwenkt! Beide Hände um den Baum legen!‹
    Ich folgte brav den Anweisungen, aber meine Hände und Füße zitterten dramatisch, sie gehorchten mir nicht mehr sonderlich, selbst mein Mund und meine Nase zitterten. Es war vorbei, es war vorbei, ich würde das Gewehr zu schmecken bekommen.«
    »Sie Einfaltspinsel! Da haben Sie sich verirrt und sind wieder in China gelandet?«
    »Nein, gar nicht!«
    »Die Leute in Myanmar können also Chinesisch?«
    »Ich war auf einen Volkssoldaten der Kommunisten von Myanmar getroffen, darunter waren nicht wenige junge Intellektuelle aus Yunnan, die bei der Sicherung der Grenze halfen, wegen des kommunistischen Ideals einer Befreiung der gesamten Menschheit haben sie lange Jahre einen Guerillakrieg gegen die Regierung in Rangoon geführt. Die Volkssoldaten und die Grenzschützer auf chinesischer Seite hatten oft miteinander zu tun. Mir wurden die Augen verbunden, die Hände auf den Rücken gefesselt, so kam ich zurück. Um Mitternacht etwa waren die Übergabeformalitäten erledigt, und ich wurde in das Büro geführt. Ich hatte so einen Hunger, mir nagten schon die Würmer im Magen. Als es hell wurde, kam von draußen das Tuckern eines Dieselmotors. Die Tür wurde aufgeschlossen, ein Kämpfer band mir die Hände mit einem langen Seil zusammen und machte einen Knoten in der Größe eines Ochsennasenseils. Das andere Ende band er hinten an diese Art Handtraktor. Der setzte sich in Bewegung, das Seil zog jäh an, und es ging über gewundene Ackerpfade immer tiefer in den Wald. Da ich von dem Seil gezogen wurde, rannte ich wie ein Sklave hinterher, tappte rechts und links in Schlammlöcher, und wenn ich nicht aufpasste, rutschte ich aus und fiel hin. Ich wurde eine ganze Strecke mitgeschleift, bis es bergauf ging und das Tempo langsamer wurde, erst da hatte ich Gelegenheit, wieder auf die Beine zu kommen …
    Später bin ich dann gegen einen Felsen geschlagen, der im Weg lag, der Schmerz ging mir durch und durch, und ich verlor das Bewusstsein. Ein Eimer kaltes Wasser hat mich wieder zu mir gebracht, und ich hatte das undeutliche Gefühl, dass wir angekommen waren. Wieder wurde ich übergeben. Man brachte mich auf einen leeren Platz, vier Soldaten standen um mich herum und schlugen eine Weile auf mich ein. Mein Gesicht hat Dutzende von Faustschlägen abbekommen, wenn das reicht, ich vermute, dass sie mir damit den Unterkiefer krumm geschlagen haben. Mit einem Wort, meine glorreiche Visage haben mir die Volksbefreiungssoldaten hinmodelliert, unsere lieben Verwandten.
     
    Später hat mir Li Bifeng mehrfach von seinem Fall erzählt, aber mir wollte er immer eher wie ein Aktionskünstler scheinen, der gehofft hatte, ein Wunder herbeiführen zu können. Unsere täglichen Rundgänge hatten wir uns zur Pflicht gemacht, vor allem im Sommer konnte man sehr lange durch die aufgeheizte Luft laufen. Der Mond sprang im Abendschein über den Horizont, umgeben von verschwommenen Sternen, die aussahen wie Glasscherben. Ich dachte an Dunhuang, wo ich 1987 gewesen war, ich hatte in der Mogao-Höhle gewohnt und war mitten in der Nacht mit zwei Malern in die Szene einer Wüstenexpedition in der Gobi eingetaucht, ich schwenkte die Faust vor Li Bifengs Nase und sagte: »Die Sterne dort sind so groß, die schmerzen, wenn sie einem gegen die Augen schlagen.«
    Li Bifeng jedoch dachte daran, wie man aus dem Gefängnis herauskommen könnte: »Meine Freundin wartet jetzt schon so viele Jahre auf mich.«
    »Heirate und krieg Kinder!«
    »Ich will ja heiraten und eine Familie gründen«, sagte er in einer schwierigen Stimmung, »aber ich bin nicht zufrieden damit, ich bin und bleibe Konterrevolutionär, ich kann nicht aus meiner Haut.«
    Li Bifeng wurde ein paar Monate nach mir entlassen, anschließend hat er tatsächlich geheiratet und Nachwuchs bekommen. Um seine Familie zu ernähren und sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, verkleidete er sich als Agrarunternehmer, er war ständig auf Achse. Er arbeitete in der Fabrik, er machte den Manager bei »Fräulein Zhangs Quellwasserfischen« neben der großen Brücke am Nordtor in Chengdu … das Resultat war, dass der kleine Laden sehr schnell zu einem Logistikzentrum demokratischer Aktivisten wurde und

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