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Für ein Lied und hundert Lieder

Für ein Lied und hundert Lieder

Titel: Für ein Lied und hundert Lieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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relativ typisches Beispiel dafür: Er hat zehn Jahre bekommen, womit er sich immer noch nicht abgefunden hat, ein Mann von gerade einmal vierzig und schon ganz grau.
    »Ich habe den falschen Anklagen unter der Folter zugestimmt«, hielt er mich fest und klagte über das erlittene Unrecht, »die ursprüngliche Klägerin hat ihre Aussage schon vor Jahren widerrufen, aber ich bin immer noch hier.«
    »Es sind zu viele, die zu Unrecht hier sind«, mischte sich mein Arbeitskollege ein, »im Rahmen dieser sogenannten schweren Schläge haben die Oben Planziffern für Urteile herausgegeben, und die öffentlichen Sicherheitsorgane saßen auf ihren Holzbänken und erfüllten ihre Aufgabe. Ich habe nur zweimal eine Massenschlägerei angezettelt, dafür habe ich lebenslänglich bekommen.«
    »Mich haben sie sogar ein paar Tage und Nächte mit dem Kopf nach unten aufgehängt«, erzählte ein anderer Sträfling.
    »Mir haben sie ein Jahr und fünf Monate die Hände auf den Rücken gefesselt«, sagte der alte Zhong, »und haben meine Todesstrafe am Ende auf Todesstrafe mit Bewährung herabgesetzt. Als sie mir die Fesseln abgenommen haben, habe ich die Arme nicht mehr gerademachen können, bis heute kann ich sie nicht waagerecht halten.«
    »Wir haben alle einiges durchgemacht«, tröstete ich sie sofort, »bald wird das Elend ein Ende haben.«
    Einmal habe ich den Rebellenkommandeur Huang Lian getroffen, er redete wie ein Wasserfall und ausschließlich von seiner glorreichen Zeit, er ließ mich gar nicht zu Wort kommen: »Ein anderer bekommt nicht leicht so einen treuen Zuhörer wie dich«, flüsterte mir mein Kollege ins Ohr.
    »Steckt mir hier mal nicht die Köpfe zusammen«, schrie Huang Lian. Auf den Glatzen spiegelte sich die Sonne.
    »Reden Sie weiter, Väterchen«, sagte ich ehrerbietig, »als ich noch ein Hosenmatz war, wart Ihr schon Herrscher über Himmel und Erde, dass Ihr und ich uns heute begegnen, das ist wie aus einer anderen Welt.«
    »Aber natürlich«, sagte Huang Lian stolz, »ich war gerade hierhergekommen, als sie hier gut dreißig Rebellenführer einsperrten, alles klangvolle Namen, wir waren zahlenmäßig in der Überzahl, das hat der Regierung Kopfzerbrechen gemacht. Heute sind alle umerzogen, nur ich bin übrig und muss meine Zeit voll absitzen.«
    »Ihr seid ein lebendes Fossil, Ihr seid viel Geld wert.«
    »Ich bin kein Fossil, ich bin noch immer Huang Lian, noch zwei Jahre, dann bin ich frei.«
    »Draußen hat sich alles ziemlich verändert«, deutete ich vorsichtig an.
    »Ich werde mich dem Mainstream anpassen«, sagte Huang Lian, er klang sehr ehrgeizig.
     
    Zurück bei der Brigade, war das Gelände wie ausgestorben, ein fiktiver Ort, der Nordwind ging einem durch Mark und Bein, verhüllte die Sonne und trieb mich in meine Zelle zurück. Ich streckte mich, kletterte auf das Eisengestell meines Bettes, hatte gerade den Kopf eingezogen und war eingeschlafen, als draußen auf einmal schnatternde Kinderstimmen zu vernehmen waren.
    Es waren ein paar Mädchen, die vor der Mauer auf einem Erdhügel spielten. Sie hatten aus Ziegelsteinen einen Ofen gebaut, dann überall Abfall gesammelt, Papier, Plastik und alte Äste mit verdorrtem Laub; das alles steckten sie in ihren Ofen, zündeten es an, und es gab einen dicken Rauch.
    »Na, ihre kleinen Spatzen?«, dass ich schrie, war Absicht, »ihr bringt mit eurem Feuer ja die Leute um!«
    Die Kinder erstarrten und hoben eines nach dem anderen ihre verdreckten Gesichter.
    »Nennt mich Onkel«, sagte ich lachend.
    »Ich nenne dich Hundescheiße«, schimpfte die Kleine, die die Anführerin war, »mieser Vogel.«
    »Mein Papa hat ein Gewehr«, drohte ein etwas kleineres Mädchen.
    »Das habe ich auch«, ich zielte mit dem Finger auf sie, »peng, pengpeng!«
    Da zielten die Mädchen genauso auf mich, einige riefen nicht nur »pengpeng«, sondern hoben vom Boden auch »Handgranaten« auf.
    »Ich ergebe mich!« Ich reckte hastig beide Arme in die Höhe. Aber die Munition kam trotzdem geflogen, Kinder, die im Gefängnis aufgewachsen sind, lassen sich nicht leicht etwas vormachen.
    »Was hast du denn angestellt?«, nahm mich die Anführerin ins Verhör und stemmte die Hände in die Hüften: »Bist du ein Mörder? Ein Räuber? Ein Vergewaltiger? Ein Dealer?«
    »Konterrevolutionär«, gab ich ehrlich zur Antwort.
    »Also Guomindang«, sagte das Mädchen mit Bestimmtheit, »du wirst erschossen, gehorchst du oder nicht?«
    »Nein.«
    »Na, dann wirst du verbrannt!« Die

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