Fuer Elise
Elise'.
Gegner
Cassy musterte aus der Entfernung Gabriels Profil. Nachdem der Andere aus Richtung des Schlosses dazu gestoßen war, hatten die beiden Männer kaum den Mund aufgemacht. Der Blonde, Michael, hockte seit Stunden auf der Erde wie ein Yogameister. Nur soviel war sicher: es ging um Elise und die beiden lagen im Clinch. Der einzige Grund, warum sie jedoch noch zwischen den Bäumen hockte und sich von geflügelten Biestern die Haut zerstechen ließ, war ein Wort, das letzte Nacht gefallen war. Dieses Wort war 'Vampir'.
Elise hatte 'Vampire' in der Tankstelle erwähnt und sie hatte sich nichts dabei gedacht. Elise be saß einen durchgeknallten Vater - und wenn schon? Besser einen verrückten Vater, als gar keinen! Aber dieses Wort hier wieder zu hören, im Gespräch zweier erwachsener Männer hatte sie quasi an den Baum gefesselt. Denn die Bedrohung durch diesen 'Vampir'… nahmen die beiden tatsächlich ernst!
Seit einer geschätzten Stunde dämmerte es und sie konnte Gabriels Gesichtsausdruck besser erkennen. Er wirkte stinkig und seit einer Ewigkeit trottete er auf dem Waldweg hin- und her.
Cassy kratzte sich mit ihrem langen Fingernagel leise am Bein. Es war ihre erste Nacht hinter einem Baum bei Waldameisen und mittlerweile konnte sie durchaus nachvollziehen, warum sich die Frauen der Naturvölker nicht die Beine rasierten. Die Haut bot behaart schlicht weniger Angriffsfläche.
Sie verlagerte das Gewicht auf das rechte Knie und versuchte das Linke zu lockern, als endlich etwas geschah. Gabriel riss die Tür seines himmelblauen Oldtimers auf.
"Scheinen sich ja prächtig zu verstehen die beiden." brummte er. "Lass uns fahren."
Michael drehte sich im Schneidersitz um und Cassy erschrak. Sein Gesicht sah aus, als habe er die Nacht auf einem miesen Trip verbracht. Seine Haut wirkte trocken und faltig und unter seinen Augen zeichneten sich braune Schatten ab. Ein abgedrehter Typ. Der war mit Sicherheit nichts für Elise!
"Wir bleiben." antwortete er und vertiefte sich zurück in seine verknotete Haltung. Cassy rollte die Augen. Gabriel war nicht der Einzige, der diesem Feuchtbiotop entfliehen wollte. Jedenfalls, wenn nicht bald etwas passierte, dass den Aufriss lohnte.
Durch den Schlag einer zugeworfenen Autotür fuhr sie zusammen und lugte erneut um den Stamm. Gabriels Schritte entfernten sich ein Stück.
"Ich spüre es auch." lenkte Michael ein. "Er hat sie verschont. Aber die Gefahr besteht. Sie ist aufgewühlt und bald wird sie wieder zu ihm gehen."
"Dann geh rein, wirf sie dir über die Schulter und bring sie raus!" rief Gabriel und rang mit beiden Armen.
Michael stand auf. Geschmeidig, in einer einzigen Bewegung scheinbar ohne Anstrengung. Eigentlich müsste er vom langen Sitzen doch steife Beine haben. Als er sich umdrehte, blieb Cassy die Luft weg. Seine Augen leuchteten wie die blaue Lagune... Hatte er vorher schon Kontaktlinsen getragen oder lag es nur am Licht der Dämmerung? Kein Wunder, dass Elise in ihn verschossen war. Sie selbst stand ja mehr auf den bodenständigen Typ.
Ihr Blick wanderte zu Gabriel.
Michael zog sein Handy aus der Tasche und hielt es sich ans Ohr. Er drehte sich seitlich, sein Gesicht entspannte sich unnatürlich und er lächelte.
"Hi, Elise. Wollte mal hören wie es dir geht?" sagte er und Cassy presste die Wange an die Baumrinde. War Elise nun in Gefahr oder nicht? Unmittelbar verfinsterte sich Michaels Gesicht und seine Augen schienen aus den Höhlen zu treten. Cassy blinzelte und das Irrbild verschwand. Es war definitiv ungesund im gehobenen Alter von bald Dreißig die Nacht im Wald durchzumachen.
"Du kannst das auf keinen Fall allein tun!" schrie Michael jetzt ins Telefon.
Gabriels Haltung straffte sich.
"Ich werde dabei sein, wenn ihr es tut. Bring ihn bei Dunkelheit ins Moor."
Es folgte eine Pause, in der er sich offensichtlich etwas beruhigte.
"Dann überrede ihn."
Schließlich nahm er das Gerät vom Ohr.
"Sie wird sterben." sagte Gabriel und Cassy krallte ihre Fingernägel in den Baum. Michael erwiderte nichts, sondern ging mit versteinerter Miene zum Auto.
"Sie hat noch nicht alle Komponenten fü r das Heilmittel gefunden. Also wird sie den Tag damit verbringen danach zu suchen. Im Labor ist sie sicher."
Gabriel spuckte auf den Boden und stemmte die Arme in die Hüften.
"Es ist irrelevant welche Komponenten ihr fehlen. Es gibt kein Heilmittel gegen Vampirismus."
Cassy überlegte, wann sie das letzte Mal beim Arzt gewesen war und welche
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