Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer
werden, meinst du?«
»Nein. Das würde ich nicht von dir erwarten. Aber du könntest mich dabei unterstützen, mein Leben besser zu organisieren. Du könntest mir einen Geschäftsplan aufstellen, die Buchführung machen, bei der Vermarktung helfen …«
Sarah brach ab. Die Idee schien ihn überhaupt nicht zu begeistern. Das versetzte ihr einen Stich. Wenn er arbeitslos war, müsste er doch eigentlich wild darauf sein, ihr zu helfen. Es lag doch in ihrer beider Interesse.
Verdammtes männliches Ego! Sie würde das sehr geschickt anstellen müssen.
»Vielleicht sollten wir uns das alles erst mal in Ruhe überlegen.«
»Ich kann nicht einfach so vom Konferenztisch an den Küchentisch wechseln, Sarah!«
Sie hätte ihn ohrfeigen können! Warum denn bitte schön nicht?!
»Haben wir irgendwas zu trinken da?«, fragte Ian.
»Ich glaube nicht.«
»Ich dachte, ich hätte eine Flasche Wein im Kühlschrank gesehen.«
Der Chablis, den Oliver mitgebracht hatte. Sie hatten es nicht mehr geschafft, auch noch diese Flasche zu trinken. Sarah sprang auf, in panischer Angst, an der Flasche könnte noch ein Aufkleber von einem teuren Weinhändler in Warwickshire kleben.
»Ach ja, die ist noch vom letzten Jahr übrig. Ich geh sie holen.«
Sarah war gerade dabei, die Flasche zu entkorken, als ihr Handy in der Jackentasche vibrierte. Sie wäre beinahe in Ohnmacht gefallen. Mit zitternden Fingern nahm sie es heraus. Oliver. Anstatt freudiger Erregung über kam sie das kalte Grauen. Alles ging viel zu schnell. Sie fühlte sich völlig in die Enge gedrängt.
Hastig warf sie einen Blick zur Tür. Ian saß noch immer draußen. Er würde sie nicht hören. Sie nahm das Gespräch an und sprach schnell, bevor sie es sich anders überlegen konnte.
»Hör zu, Oliver! Es tut mir wirklich leid. Ich kann das alles nicht. Ian ist gerade gefeuert worden. Wir haben hier gerade eine Krisensitzung. Bitte, ruf mich nicht mehr an. Ich kann damit nicht umgehen. Es geht wirklich nicht.«
Zu ihrem Entsetzen spürte sie, dass ihr die Tränen kamen. Es war ein echtes Opfer, spürte sie. War das nicht immer so? Waren es nicht immer die Frauen, die am Ende einlenken und Kompromisse machen mussten?!
»Okay.« Seine Reaktion war ruhig und gemessen. Sarah hätte gern seine starken Arme um sich gespürt. »Du hast ja meine Nummer. Ruf mich an, wenn du mich sehen willst. Jederzeit, Sarah.«
Sie schluckte. Es wäre so einfach gewesen, ein weiteres Treffen auszumachen. Das Einfachste auf der Welt! Aber es hätte alles andere noch komplizierter gemacht.
»Danke«, flüsterte sie und beendete das Gespräch. Tränen verschleierten ihr den Blick, als sie die Weingläser aus dem Schrank nahm, dieselben Gläser, die sie und Oliver in der Nacht zuvor benutzt hatten. Sie goss den Chablis ein; Premier Cru, fiel ihr auf. Am besten, sie ließen ihn sich schmecken. In Zukunft würde es nicht sehr oft Premier Cru geben. Sie brachte die Gläser nach draußen, gab Ian eins und setzte sich.
Er trank einen Schluck.
»Guter Tropfen«, bemerkte er, und Sarah dachte daran, wie entsetzt er gewesen wäre, wenn gewusst hätte, wo der gute Tropfen hergekommen war. Sie hob ihr Glas an die Lippen. Sie hatte das Richtige getan, da war sie sich ganz sicher. Nun hieß es nur noch nach vorn blicken.
Vampirnixen, dachte sie. Sobald sie wieder zu Hause waren, würde sie ein Angebot schreiben und es ihrem Agenten schicken. Dann würde sie sich all die Anfragen vornehmen, die sie während der vergangenen Monate erhalten hatte, und prüfen, ob sie noch aktuell waren. Und dann würde sie sich endlich eine eigene Website einrichten und sich Visitenkarten drucken lassen …
Sarah schaute Ian an. Er hatte sich mit geschlossenen Augen in seinem Liegestuhl zurückgelehnt. Mein Gott, dachte sie, er ist tatsächlich eingeschlafen. Er schnarchte.
Wann genau, fragte sie sich, war sein Problem eigentlich zu ihrem Problem geworden?
Nachdenklich fingerte sie an dem Handy in ihrer Tasche herum. Sie könnte Oliver zurückrufen, ihm sagen, dass sie es sich anders überlegt hätte und sich doch mit ihm treffen wolle. In nur fünf Minuten könnten sie ihr nächstes Rendezvous verabredet haben, und Ian würde gar nichts mitkriegen. Genauso wie er anscheinend nichts von ihrer ganzen gemeinsamen Notlage mitbekam. Doch sie rief Oliver nicht zurück. Sie blieb sitzen, trank ihren Wein und ließ sich alles noch einmal durch den Kopf gehen, rechnete alles durch, überdachte ihre Alternativen. Und fühlte sich
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