Für immer, Emily (German Edition)
Rücken schien nachzugeben und sie rutschte nach unten auf den Boden, zog die Knie an, schlang ihre Arme darum und starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Schwärze.
Niclas klappte das Buch zu und reckte sich auf seinem Stuhl. Dann stand er auf und sah auf die Uhr. „Mensch, Emily, wo bleibst du? Wir wollten doch Schluss machen für heute.“
Er räumte die Sachen auf, die noch auf dem Tisch lagen, und sah ungeduldig zur Tür. Was kopierte sie bloß alles? Wie lange war sie überhaupt schon weg? Er hatte keine Ahnung, war so vertieft in seinen Text gewesen, dass er überhaupt nicht darauf geachtet hatte. Vielleicht sollte er einmal nachsehen gehen?
Er trat ans Fenster und sah hinaus. Es war schon lange dunkel, allmählich bekam er Hunger, und es reichte ihm für heute. Aber wenn er nun nachschauen ging, würde sie sich wieder auf den Schlips getreten fühlen? So, als ob er ihr nicht zutraute, ein paar Kopien zu machen? Also beschloss er, ihr noch ein paar Minuten zu geben. Er packte seine Sachen in den Rucksack, dann entschied er, sie auf dem Handy anzurufen. Ihre Nummer hatte sie ihm gegeben und er drückte die Speichertaste. Gleich darauf erklang ein Klingelton und er verzog das Gesicht. Sie hatte ihr Handy in ihrer Tasche stecken lassen.
„Also, mir reicht‘s nun, ich will nach Hause, und mir ist es jetzt egal, ob du sauer bist oder nicht, ich gehe jetzt schauen, wo du bleibst.“ Damit verließ er die Bibliothek und lief den langen Gang entlang bis ans Ende des Flurs, wo sich der Kopierraum befand. Er drückte schwungvoll auf die Türklinge und wäre fast gegen die Tür geprallt, die verschlossen blieb. Was war das denn? „Emily? Bist du da drin?“ Er horchte und rief dann noch mal: „Emily?“
Dabei klopfte er mit der flachen Hand an die Tür.
Dann hörte er eine leise Stimme von drinnen. „Niclas? Oh Niclas, Gott sei Dank, da bist du ja!“
Er konnte sehr deutlich die Angst und die Tränen in ihrer Stimme hören. „Emily, was ist denn los? Ist alles okay mit dir?“
„Ja, schon. Aber die Tür geht nicht auf und das Licht geht auch nicht an. Und, Nic, hier ist jemand.“ Ihre Stimme klang panisch und völlig atemlos, als würde sie kaum Luft bekommen. Niclas runzelte die Stirn und rüttelte an der Tür, die sich leider keinen Zentimeter bewegte.
„Da ist niemand, ganz sicher nicht. Die Tür klemmt vielleicht nur und bestimmt ist die Leuchtröhre kaputt.“
„Nein! Nein, hier ist jemand drin, ich höre ihn.“ Sie schluchzte jetzt.
„Okay, bleib ganz ruhig! Ich hole Mr. Montez, der öffnet die Tür, dann bist du ganz schnell hier raus und siehst, das da absolut gar nichts ist.“
„Nein! Nein, oh bitte, Niclas, geh nicht weg, bleib hier, bitte!“
„Okay, okay, schon gut, keine Angst. Hör zu, ich hab die Telefonnummer von Mr. Montez nicht in meinem Handy gespeichert, aber Dr. Smith hat sie mir gegeben, für alle Fälle. Ich hab sie drüben in meinem Rucksack. Ich hole sie jetzt und dann rufe ich ihn an. Ich bin in einer Minute wieder da. Okay? Emily?“
Es dauerte einige Sekunden, dann kam ein klägliches „Okay“, zurück.
Er stand auf und lief, so schnell er konnte, den Gang hinunter, kramte in seinem Rucksack, fand zum Glück gleich den Zettel und eilte dann zum Kopierraum zurück.
„So, hier bin ich. Alles okay. Ich rufe jetzt Mr. Montez an, der wird gleich hier sein, und dann bist du sofort draußen.“ Er wählte die Nummer des Hausmeisters, der nach dem dritten Läuten an den Apparat ging und sich meldete. Niclas erklärte ihm mit wenigen Worten die Lage. Carlos versprach, sofort zu kommen.
„So, alles klar, er wird gleich da sein. Emily, hörst du mich?“
„Ja. Bleibst du hier? Du gehst nicht weg?“
Er konnte ihre Angst fast körperlich fühlen, und am liebsten hätte er diese verflixte Tür eingetreten, aber nachdem ihr anscheinend keine wirkliche Gefahr drohte, erschien ihm das nicht sehr ratsam zu sein, denn er sah schon das wütende Gesicht des Direktors vor sich.
„Sicher, ich bleibe hier. Setz dich am besten hin. Es dauert noch einen Moment.“
„Ja.“ Emily war aufgesprungen, als Niclas aufgetaucht war, ließ sich aber nun wieder auf den Boden sinken.
„Gut, ich setze mich auch hierhin, dann sitzen wir quasi Seite an Seite hier. Du bist also nicht alleine.“
Ihre Stimme klang immer noch völlig atemlos. „Okay. Okay. Niclas, was ist das? Was kratzt hier so?“
Er lehnte den Kopf an die Tür, konnte aber nichts hören, außer Emilys leisem
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