Für immer, Emily (German Edition)
er mehr für mich empfinden könnte als Freundschaft.“ Sie zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf.
Teresa musterte sie. „Aber, Emily, warum denn nicht? Du bist ein hübsches, liebenswertes Mädchen. Ich denke, du irrst dich sehr, denn Niclas kann seine Gefühle kaum verbergen. Er bemüht sich zwar, cool zu wirken, damit es keiner bemerkt, aber ich habe fünf Brüder und Schwestern, die alle mit ihren Problemen und ihrem Liebeskummer zu mir gekommen sind. Glaub mir, ich weiß, wie es aussieht, wenn jemand versucht, seine Gefühle zu verstecken. Und wenn du mich fragst, tut Niclas genau das. Und ich glaube, du auch. Ich will dir gewiss nicht zu nahe treten, Emily, wir kennen uns ja erst kurz, und ich möchte dir in nichts hineinreden, aber ich denke, da ist sehr viel an Gefühlen im Spiel, bei euch beiden.“
Emily schüttelte erneut den Kopf. „Ich weiß nicht, vielleicht. Aber es ist auch völlig egal, denn ich kann sowieso nicht mit ihm zusammen sein. Außerdem, sehen Sie sich doch hier in der Schule um, es wimmelt von hübschen Mädchen, und alle sind sie nicht wie ich. Es gibt nichts, was ich Niclas geben könnte, das ihn glücklich machen würde. Nichts. Ich würde ihm nur wehtun und das will ich nicht, dazu hab ich ihn viel zu gern.“
Teresa sah Emily bestürzt an. Was redete sie da bloß? Soviel Verachtung für sich selbst hatte eben in ihrer Stimme geklungen, dass Teresas Mutterherz schmerzte. Dieses junge Mädchen könnte ihre Tochter sein, und sie wäre glücklich, wenn Selma einmal so werden würde wie Emily es war. Liebenswürdig, freundlich und selbstlos. Sie hätte Emily gerne gefragt, warum sie so dachte, aber das war im Moment wohl nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Sie kannten sich nicht gut genug, um solche Gespräche zu führen, denn Teresa fühlte instinktiv, dass hinter Emilys Äußerungen ein tiefer Kummer steckte, über den sie trotz aller Sympathien sicher nicht mit einer ihr fast fremden Frau reden wollte. Und so schwieg Teresa, und auch Emily ging nicht weiter auf das Thema ein.
Der weitere Abend verlief entspannt und harmonisch, alle fühlten sich sehr wohl miteinander. Emily half Teresa dabei, Selma ins Bett zu bringen und las der Kleinen ein Kapitel aus ihrem Lieblingsbuch vor. Später schauten sie alle zusammen Fotos an, die zu der Zeit aufgenommen worden waren, als Carlos und Teresa sich kennen gelernt hatten.
„Ja, wir waren nicht viel älter damals, als ihr beide heute.“ Carlos schüttelte den Kopf. „Und nun sind wir schon so lange verheiratet und haben drei Kinder.“ Er lächelte Teresa zu, und sie lächelte liebevoll zurück. Es war klar, dass sie kein immer einfaches Leben gehabt hatten. Carlos hatte erzählt, dass er gerne Lehrer geworden wäre, aber das Geld hatte nicht für ein Studium gereicht. Und so war er Hausmeister an einer Schule geworden, um seinem Traumberuf zumindest ein bisschen näher zu sein. In seinen Worten schwang allerdings keinerlei Bitterkeit, über etwas, das verpasst worden war, sondern nur Freude und Dankbarkeit über das, was er haben durfte.
Es war schon fast Mitternacht, als Emily und Niclas sich von Familie Montez verabschiedeten und sich für den schönen Abend bedankten.
Nachdem Niclas sie nach Hause gebracht und sich verabschiedet hatte, hockte Emily sich neben Ben und streichelte seinen dicken Kopf. „Es ist alles so leicht, wenn Niclas bei mir ist. Es ist komisch, fast so, als ob er alles mit mir zusammen tragen und es deshalb für mich einfacher werden würde.“ Sie seufzte. „Ach, Ben, ich rede schon wieder Unsinn, was? Aber es wäre schön, wenn es immer so sein könnte.“
Der Hund sah sie aufmerksam an, als ob er ihren Worten genau zuhören würde, und ein wehmütiges Lächeln umspielte Emilys Lippen. Niclas ... Teresas Worte fielen ihr wieder ein und sie flüsterte in Bens Fell: „Ich wünschte, er wäre wirklich mein Niclas. In einem anderen Leben und ohne all den Schmerz. Ja ...“ Sie schlang beide Arme um Bens Hals und saß eine Weile stumm auf dem Boden, während der Hund ganz still hielt.
Schließlich stand sie auf. „So, genug gejammert für heute, es war so ein schöner Abend, den will ich jetzt noch ein bisschen genießen. Weißt du, Ben, Niclas hat ja bald Geburtstag, und ich hab mir überlegt, was ich ihm wohl schenken könnte. Komm, lass uns mal im Internet schauen, ob wir etwas Passendes finden.“ Sie setzte sich an ihren Laptop und klickte ein paar Seiten an, bis sie das gefunden hatte,
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