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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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seiner Niedertracht sehr schlauen Intellektuellen aus. Er hat, meine ich, auf etwas tatsächlich in der Luft Liegendes reagiert, es antizipiert – man lebt, wenn man sich nicht um sein Auskommen ernstere Sorgen machen muß, als auf authentisches Empfinden festgelegter Ghettobewohner oder Proletarier, inzwischen wirklich so, wie er das in den Sechzigern beschrieben hat – täglich an mehreren Fronten, »identitätskritisch«, post-this, post-that, post-everydamnthing.
    Assholes like us, Michael: Bessergestellte (oft nicht mal so viel besser), Kreative, Performer, Autoren. Und die reden dann alle daher wie Herr F. aus P., oder wie dieser schauerliche »Schriftsteller«, den sie in der neuesten Ausgabe von Spock (bin ich manchmal froh, daß ich da nicht mehr arbeite) interviewt haben, und der natürlich kein »Autor« im alten, für die eigenen Texte verantwortlichen, von foucauldianischer Molotow-Explosivität und Fragmentscheiße glücklich überholten Sinn mehr sein will, sondern lieber jemand, der ganz klasse strategisch und machtkritisch und dabei ohne störende »Essenz«, ohne störenden Wesenskern in seine für den amorphen Mist, der dabei rauskommt, schwer empfänglichen Milieus einbricht: »Was wollte ich? Ich wollte wie ein Fuchs in den Hühnerstall einbrechen. Was wollte ich noch? Ich wollte als typischer Bastard meiner Generation mit diesen ganzheitlichen Projektvorstellungen aufräumen. (…) Man muß sich vorstellen: Hunderte von Lesungen und im Anschluß eine Diskussion. In diesem Teil kam es zu einem politischen Taumel. Die Leute haben sich überschlagen. Die ersten hundert Lesungen war ich der Hohepriester: Ich komme rein, und 90 Prozent des Publikums haßt mich. (…) Es gibt Leute, die mich abgrundtief hassen. Weil ich in ihren Augen ein Demagoge bin, ein Beschwörer, einer, der ganz offen sagt, daß er über die Aufklärung nur lachen kann.«
    Was für ein kraftmeiernder Hosenscheißer. Was für ein erbärmliches Dasein.
    Ich aber frage Dich, vom alleruntersten Boden meiner auf dem Um­weg durch diese Jauche und den Irrsinn mit Valerie erkannten analogen Nichtswürdigkeit als amüsanter Pausenclown der Krise: Spielt es in solchem Horror, in diesem ekelhaften Suhlen eines Minengürtelkaspers sensu Foucault, noch die geringste Rolle, daß der Tabufresser auch noch einen türkischen Namen hat und also auch mit diesem, ebenso wie mit seinem Schwanz, seiner Orientierungslosigkeit und seinem Lachen über die Aufklärung, die so vorzüglich zu all dem passenden höheren Töchter vom kulturwissenschaftlichen Seminar erschreckt, welche mit ihren lieben Männchen zu den besagten »Hunderten von Lesungen« kommen?
    Ob Schnösel mit endlosen existenziellen Texten über ihre Plattensammlung oder schlaffe Provokateure wie dieser, ob Musikunterhalter wie Du oder nimmermüde Schreiber bissiger kleiner Interventionen ohne alle Folgen wie ich: Budenmonster eines Jahrmarkts, auf dem ständig das foucaultsche Feuerwerk brennt. Oh sicher doch, wir machen ein Kunstwerk aus dem Leben, aber das Kunstwerk hat keinen Witz, keine Wut, keine Moral, nicht weil es Witz, Wut und Moral in Kunst nicht gibt, was nur das postmoderne Schaf glaubt, sondern weil so ein Leben auch dann nicht Witz noch Wut noch Moral hätte, wenn es nicht so tun würde, als wäre es ein Kunstwerk.
    Das Geilste aber: Während ich hier, in stundenlangem verkrampftem Getippe – ein Blick auf die Uhr sagt mir, daß ich jetzt schon dreieinhalb Stunden an diesem Ding sitze – Dir das alles aufschreibe, weiß ich doch genau, daß ich beim Versuch, eine gegen das Bild vom verschwin­denden Menschen gerichtete Liebesgeschichte zu inszenieren und dann aufzuschreiben, exakt das angerichtet habe, was der Gruselkönig von seinen Werken und vom Leben seiner Gemeindemitglieder fordert: Einen Aschehaufen wird das alles hinterlassen, sonst nichts.
    Well, screw theory, let’s rock.
    Das mit dem Konzert in der Volksbühne, was man Dir als Gerücht hinterbracht hat, ist ein Kapitel für sich.
    Organisiert hat den Abend Patrick – Du erinnerst Dich bestimmt: Patrick Baumann, Vorgänger meines Vorgängers als ­Chef­re­dak­teur bei Spock. Der lebt schon seit ein paar Jahren in Berlin und arbeitet ­erfolg­reich an der Zusammenführung der dissidentiösen Theaterkultur einerseits und der von Musik und bildender Kunst ausgehenden äh … Zeitimpulse traditioneller gegenkultureller Bereiche andererseits. Diskussionsveranstaltungen, Performanzen, Ausziehabende und

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