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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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gerade noch ein paar.« Diese Kids waren hipper, als ich ihnen zugetraut hatte. Schwindelgeschichten.
    Im Theater stellte sich dann raus, daß es für mich und meine Minicirce schwieriger war, dort reinzukommen, als für die rechtmäßigen Inhaberinnen ordinärer Kaufkarten. Ätzender bin ich noch nie angegiftet worden als von der schwarzlackierten Tante am provisorischen Pressestand im Foyer: »Robert? Rolf? Robert Rolf? Soll das ein Name sein, oder zwei Vornamen, oder was?«
    Sie fand mich nicht, auf ihrer Liste. Aber dann sah ich hinter der Absperrung Patrick, den Zirkusdirektor. Der ließ sich herbeiwinken und klärte die Sache: Die Liste, auf der seine Harpye nachgesehen hatte, war eine andere als die, auf der sie hätte nachsehen sollen.
    Absurderweise hatte ich mich während des Getues fast angstvoll an Valerie geklammert, Patrick Baumann aber begegnete mir und den drei Grazien souveräner und cooler als je ein Menschenkind aus der großen glücklichen Berliner Smart-Underground-Familie. Guter Typ. Wie das Konzert war? Lies meine Besprechung aus der Zeitung, vorvorgestern erschienen, warte, ich paste sie mal eben hier rein:
    Dröhnverwöhnung

    Ein gelungener, sehr lauter Abend in der ­Berliner Volksbühne

    Es ist, als stünden wir auf einer starren, massiven Platte aus Katzengold, über der sich eine rosa Kuppel aus rohgeschliffenem Quartz wölbt, in deren höchstem Punkt ein gut zehn Meter langer Erzklöppel aufgehängt ist, welcher ganz, ganz langsam den ruhigen Glockenspieltakt des flutenden Rauschens in Gottes Ohr schlägt. Ein Samstagabend im Berliner Bauch, die Volksbühne hat geladen.

    Sehr ruhig – wenn man den Videobildern links und rechts des Bühnenaufbaus glauben kann – gehen der manchen als »Merzbow« geläufige Masami Akita und sein Adjutant Russell Haswell an ihren Rechnern auf dem Podium zu Werke: beim Programmieren unbegrif flich en Aufruhrs. Die Planken zittern, die Köpfe bewegen sich wie Blumenkelche im warmen Golfstrom des unglaublich lärmenden Gedröhns, das nur dazu da scheint, uns zu verwöhnen. Lauter einander liebe Bekannte treten im Publikum auf und wieder ab, von den Rängen auf die Bühne und zurück führen ihre Pfade; wer keine Ohrstöpsel benutzt, ist bald schon in die bergsonische Dauer jener stehenden Lärmwelle eingetreten und wird dort vom Brausen eingeschlossen – keine Gefahr mehr, umzukippen.
    Einige liegen auf dem Boden, die Häupter auf zusammengelegte Jacken gebettet, denn der Weg der Ahnen, in seiner neuesten Inkarnation als fein aufl ösender Ganzkörper-Bruitismus, geht in dieser Lage durch die Beine auf den Solarplexus los und fährt von dort drahtlos ins Hinterhirn. Verweile doch, du bist so laut – aber als nächstes treten das rote und das weiße Hemd auf. Die beiden dezent overdressten, mit Frauenblut gewaschenen, sadomasochistischen Bataille-, de Sade-, Paglia- und Dworkin-Leser von Whitehouse peitschen sofort heillos durch den Kabelwald. Ihretwegen war vorab den Veranstaltern gedroht worden, man werde die (rasch ausverkaufte) Veranstaltung platzen lassen, denn wer wie Whitehouse auf seiner Website grausame Leselisten aushängt und live mit niedlichen Kraftmeier-Posen erheitert, ist natürlich eine Gefahr für den Humanismus. Rotes Hemd, weißes Hemd, zusammen ein halbes: Als schriebe man noch 1980, das Jahr, in dem diese Pet Shop Boys des Bösen gegründet wurden, flucht Philip Best (rotes Hemd) und stellt sich William Bennet (weißes Hemd) hin, um zu erkunden, ob das Publikum an Rock ’n’ Roll glaube. Als dies bejaht wird, beschimpft er die Zuhörer herzlich als »wankers«. Dumpf klopft die Tür ans Schicksal statt umgekehrt: Mehr Posen, mehr schlimme Wörter, die Herren fassen einander an, man lacht.
    Danach kann es nur glatter werden – am Ende also gibt Richard D. James, als Aphex Twin hochöffentlicher Sonderlingsverkörperer der Technosphäre, den Menschen pure Professionalität, legt Platten auf andere Platten und hört, daß es gut ist. Warum aber, fragt das nachvibrierende Trommelfell den benachbarten Argumentevorrat im Hirn abschließend, ist es so eine gute Idee, solche Abende im Theater, nämlich in der Volksbühne, stattfinden zu lassen? Weil sie erstens zeigen, daß der Import von dergleichen ins Theater nicht notwendig, wie leider so oft erlebt, das Theater respektive den Lärm am jeweils anderen deformieren muß – jedenfalls dann nicht, wenn man wie der Veranstalter Patrick Baumann genau weiß, daß es hier nichts zu

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